Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Griechisches Nationaltheater: Mitchell/Segal/Wilson: Cow | Deer

22.12.2025 | Theater

Griechisches Nationaltheater, Athen 

Mitchell/Segal/Wilson: Cow | Deer

Besuchte Vorstellung am 21. Dezember 2025

ten

Der Klang der Worte und Musik haben schon immer eine wichtige Rolle im Theater gespielt. Und in Griechenland ist die musikalische Seite einer Aufführung bis heute von wesentlicher Bedeutung. Vielleicht war es unter anderem dieser Umstand, der das Nationaltheater bewog, ein nicht ganz gewöhnliches Projekt zusammen mit dem Royal Court Theatre in London auf die Bühne zu bringen. Es geht dabei um eine reine Soundperformance. Die Regisseurin Katie Mitchell, die Autorin Nina Segal und die Sounddesignerin Melanie Wilson haben sich dafür zusammengetan. Die Kleine Bühne im alten Zillergebäude wird zum Hörspiellabor, dessen Ausstattung Alex Eales entworfen hat.

Obgleich nicht gesprochen wird – nur etwas Gemurmel gibt es bisweilen -, kommt doch zum Hören noch das Lesen hinzu. Es gibt Übertitel in griechischer und englischer Sprache, die dem Publikum Szenenanweisungen geben. Auf der Bühne agieren vier Performerinnen und Performer an einer Reihe aneinandergefügter Tische, auf denen sich Strohballen, Tücher, eine Aquarium mit Wasser und Steinen sowie weiteres Material befinden. Im Bühnenhintergrund sind zusätzliche und ganz verschiedene, klangerzeugende Dinge zu entdecken. Man schaut dem Ensemble, d.h. Alexandros Zotai, Christos Thanos, Korina Kokkali und Ioanna Toubakari beim Geräuschemachen zu, beim Rascheln, Reiben, Stampfen und manch anderem. Neben Live-Sound gibt es auch eingespielten, etwa von einem Auto. Geboten wird ein einstündiges Hörerlebnis.

Die Handlung des Audiotheaters „Cow | Deer“ erstreckt sich über einen Tag und weist zwei Stränge auf. Erzählt wird von einer Kuh und einem Reh, von Tierhaltung und freilebendem Wild. Das geschieht weitgehend unspektakulär, erreicht aber in beiden Fällen einen Handlungshöhepunkt: die Kuh gebärt ein Kalb, das Reh wird angefahren und wegen seiner Verwundung bald darauf erschossen. Der gemächlich anmutende Tagesablauf kreist also um Geburt und Tod. Dass man daneben noch viel über unser Verhältnis zu Tieren erfahren würde, ist eher zu verneinen. Die beiden quasi archetypischen Momente von Lebensanfang und -ende bieten ein brauchbares Handlungskonstrukt, eröffnen aber nicht wirklich weitere Diskussionsfelder. Der Zuschauer spitzt die Ohren und mag sich an Begegnungen mit Kühen und Rehen erinnern. Ein liebevoll gestalteter Abend ohne aufregende Erkenntnisse. 

Das Publikum erscheint nicht allzu reichlich, hört aber umso aufmerksamer zu. Es gibt freundlichen Beifall am Ende. 

Ingo Starz (Athen)

 

Diese Seite drucken