Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Griechisches Nationaltheater: KÖNIG LEAR – Lear Horror Picture Show

23.01.2024 | Theater

Griechisches Nationaltheater, Athen 

KÖNIG LEAR

Besuchte Vorstellung am 20. Januar 2024

Lear Horror Picture Show

Yannis Houvardas ist einer der renommiertesten Theaterregisseure in Griechenland. Er hat in der Vergangenheit nicht nur das Griechische Nationaltheater geleitet, sondern auch einige Male im deutschsprachigen Raum gearbeitet. Manchmal gelingt es ihm vortrefflich, Realität verzerrt zu starken Aussagen zu führen. In anderen Fällen scheitert er glorios, wie bei einer Inszenierung von Brechts „Dreigroschenoper“ im Athener Pallas Theater vor einigen Jahren. Nun bringt er einen bedeutenden Klassiker auf die Bretter des Nationaltheaters: William Shakespeares „König Lear“. 

Auch in diesem Fall verzerrt Houvardas die Geschichte von Shakespeare. Eine dreiköpfige Rockband – Musik: Gary Salomon – begleitet das Geschehen auf der von Eva Manidaki karg ausgestatteten Bühne. Live-Kamera (Video: Pantelis Makkas) sorgt dafür, dass man mehr auf die Projektionen denn auf das eigentliche Spiel, das als Horrortrip angelegt zu sein scheint, achtet. Leider werden Spiel und Filmbilder unter Houvardas‘ Hand schnell fad. Sicher, die komplexe Handlung wird ganz ordentlich mit kräftigen Kürzungen erzählt. Die Figuren sind dabei aber nicht mehr als Karikaturen ihrer selbst. Die Freaks auf der Bühne zeigen kaum charakterhafte Tiefenschärfe und ziehen nicht das Interesse auf sich. Rockig kommt das Ganze musikalisch und bildlich daher. Die Komplexität der Figuren lässt sich aber mit einer solchen Lear Horror Picture Show nicht vermitteln. Die Aufführung dümpelt leider ziemlich spannungslos dahin. 

Das grosse Ensemble wirkt oft verloren auf der Bühne. Es ist noch am ehesten der Bösewicht Edmund, gespielt von Giorgos Papageorgiou, der ein paar Theaterfunken entfacht. Giannis Dalianis als Lear ist kaum mehr als ein eitler, alter Mann, dessen innere Bewegungen, Antriebskräfte unsichtbar bleiben. Dass der Narr von Minos Theocharis als Transsexueller gezeigt wird, geht in Ordnung, ist aber auch nicht etwas, was Sinnn stiftet. In der Tat ist in dieser Inszenierung alles aus den Fugen – jedoch lassen sich aus dem mörderischen Getümel keine Schlüsse ziehen. Auch andere Akteure wie Ioanna Kollipoulou als Cordelia oder Christos Sougaris als Kent können dem kraftlosen Showbetrieb wenig entgegensetzen. Es ist eine Aufführung des „König Lear“, die man besser schnell vergisst.

Am Schluss gibt es freundlichen Beifall für alle Beteiligten. 

Ingo Starz  (Athen)

 

Diese Seite drucken