Griechisches Nationaltheater, Athen
Evangelismos. Das Musical
Besuchte Vorstellung am 24. November 2023
Bad Art kills
Copyright: Christos Symeonidis.
Musicals erfreuen sich grosser Beliebtheit in Athen. Sie tauchen auf unterschiedlichsten Bühnen der Stadt auf. Nun präsentiert das Griechische Nationaltheater auf der grossen Bühne des Theaters Rex eine Neuschöpfung, die im ältesten Krankenhaus Athens spielt: „Evangelismos, das Musical“. Das 19-köpfige Ensemble auf der Bühne und die Musiker im Graben zeigen ein Potential, welches leider kaum genutzt wird. Die grosse Produktion des Nationaltheaters scheitert, weil sie eher Fragmente denn ein Ganzes auf die Bühne bringt.
Das Libretto von Giannis Asteris erzählt vom Chefarzt Apostolos Pavlou, seinem Team und Patienten. Pavlou gelingt es, den Tod in Geiselhaft zu nehmen. Welcher Mediziner trachtet nicht danach, den Tod zu besiegen? Natürlich resultieren Turbulenzen und Konflikte aus dem Fernbleiben des Todes. Und manche Probleme, mit denen reale Hospitäler in Griechenland zu kämpfen haben, werden auch angesprochen. Das Libretto bietet aber leider keine starke Handlungslinie, die den Zuschauer mitnehmen würde. Und die Figuren werden allzu holzschnittartig gezeichnet. Im Result zerfällt das Musical in einzelne Teile, die überwiegend wenig interessant daherkommen. Der Zuschauer verliert sich im schlecht strukturierten Geschehen. Leider bietet die Musik von Angelos Triantafyllou auch nicht wirklich Grund zur Freude. Was man hört, scheint einem Musicalbaukasten entnommen zu sein. Viel Sprechgesang, ein einigermassen kompaktes erstes Finale, eine paar nette Melodien, Anklänge an traditionelle, griechische Musik – das alles zusammen ergibt nichts Einprägsames, kein Werk, das man Wiederhören möchte. Die Schöpfer sprechen davon, die Grenzen des Genres erweitert zu wollen. Man kommt als Zuschauer aber eher zum Schluss, dass das Musical I diesem Fall dem Tod anheimgefallen ist.
Copyright: Christos Symeonidis.
Immerhin erweist es sich an einigen Stellen des Abends, dass da ein sangesfreudiges, gutes Ensemble zusammengekommen ist. Stimmlich machen die Damen und Herren durchaus etwas her. Leider lässt man sie kaum wirkungsvoll singen. Das Ensemble um den von Christos Loulis gespielten Chefarzt hat es wirklich nicht einfach, da auch der Regisseur Dimitris Stavropoulos kaum in der Lage ist, eine vernünftige Personenführung auf die Bühne zu bringen. Das Geschehen plätschert auf der weiten Bühne dahin, wo auch die verschiebbaren Bühnenbildelemente (Eva Manidaki) an den Baukasten erinnern. Der gefangene Tod beschert dem Publikum keine nennenswerte Unterhaltung oder Erkenntnis. Es herrscht die meiste Zeit tödliche Langeweile und ein Satz aus dem Musical kommt einem in den Sinn: „Bad Art kills.“
Das Publikum meint es gleichwohl gut mit dem grossen Ensemble und spendet freundlichen Beifall.
Ingo Starz (Athen)