Griechische Nationaloper, Athen
Le Voyage dans la Lune
Besuchte Vorstellung am 13. Juli 2023
Foto: Griechische Nationaloper
Vom Zivilisationsmüll zum Bauhaus-Mond
Die Griechische Nationaloper setzt zum Saisonende seine internationale Kooperationstätigkeit fort. Auf dem Programm steht ein Werk von Jacques Offenbach, die Operette „Le Voyage dans la Lune“[Die Reise zum Mond]. Das eher selten gespielte Werk wurde 1875 in Paris uraufgeführt und wird nun in einer Produktion gezeigt, die zuerst an der Pariser Opéra-Comique herauskam. Interessanterweise arbeitet man auf der Bühne fast ausschliesslich mit Kindern und jungen Erwachsenen. Es ist gewissermassen ein Education-Projekt, für welches man die SängerInnen und einen Chor aus Paris heranzieht. Der Maîtrise Populaire der Opéra-Comique und der Kinderchor der Nationaloper machen ihre Sache gut und sorgen für einen leichten, klaren Klang. Das Opernhausorchester unter Elias Voudouris spielt gut auf, sorgt für den nötigen Drive. Lediglich an ein paar Stellen hätte man sich stärkere Akzente in Rhythmus und Tempo gewünscht.
Jacques Offenbach’s Operette ist angeregt durch das schriftstellerische Werk von Jules Verne. Und wie alle Werke des Komponisten, zeichnet sich auch „La Voyage dans la Lune“ durch seinen satirischen Charakter aus. Da die Produktion als eine Aufführung für die ganze Familie angelegt ist, hält sich die Satire auf der Bühne allerdings sehr in Grenzen. Worum geht es in Offenbachs Werk? Es ist die Geschichte des nach Abenteuer gierenden Prinzen Caprice, der schliesslich die abgewirtschaftete Erde verlässt und mit seinem Vater und dem Hofberater zum Mond aufbricht. Dort stossen die Erdenbewohner auf eine Gesellschaft, die die Liebe aus ihrem Leben verbannt hat und nur in Kaufmustern denkt. Mitgebrachte Äpfel, das Alte Testament lässt grüssen, helfen, Liebestaumel auszulösen und ein Happy End herbeizuführen. Laurent Pelly sorgt als Regisseur für herumwirbelnde Aktion auf der Bühne, oft unter Verwendung repetitiver Bewegungsmuster, die Offenbachs Drive durchaus vergnüglich veranschaulichen. Er setzt aber noch stärkere Akzente als Ausstatter. Die Erde etwa gleicht einer wohlgeformten Mülldeponie, die Mondbewohner und ihr Zuhause scheinen der Bauhauswelt entsprungen zu sein. Das ist alles schön anzusehen, erzielt nicht allzu Tiefgang und ist familientauglich. Dass die Aufführung mit Pause allerdings zweieinhalb Stunden dauert und in französischer Sprache gegeben wird, überfordert sichtlich einige der jungen Zuschauer
Schaut man auf die Solisten ist die rein stimmlich-musikalische Ausbeute eher bescheiden. Die Sopranistin Ludmilla Bouakkaz sorgt für starke Akzente, ihre Partie erinnert von fern an Olympia aus „Les contes d’Hoffmann“. Die anderen schlagen sich mal ganz gut, mal weniger überzeugend durch ihre Partien, zeigen aber gute Artikulation und starke Bühnenpräsenz: Franck Leguérinel als König V’lan, Arthur Roussel als Caprice, Matéo Vincent-Denoble als Microscopes, Enzo Bishop als König Cosmos, Violette Clapeyron als Flamma, Rachel Masclet als Königin Popotte und Micha Calvez-Richer als Cactus. Die Aufführung überzeugt mit ihrer Bilderfülle und verhilft einem eher schwächeren Werk Offenbachs zu einigem Erfolg.
Das Publikum im ausverkauften Athener Opernhaus spendet reichlich Beifall.
Ingo Starz (Athen)