Griechische Nationaloper, Athen : Giuseppe Verdi: La forza del destino
Premiere am 26. Januar 2025
Die Macht der Bilder
Foto: Giechische Nationaoper
Die Athener mussten lange auf die Wiederbegegnung mit einem der Meisterwerke von Giuseppe Verdi warten. „La forza del destino“ war letztmals im Sommer 1998 im Odeion des Herodes Attikus gezeigt worden. Nun steht die Oper in einer Neuinszenierung auf dem Spielplan und der Medienrummel ist beachtlich. Bemerkenswert ist dabei, dass vor allem hauseigene Kräfte auf der Bühne stehen und die Regisseurin eine Griechin mit grosser Auslandserfahrung ist. Für einige Spannung war also im Vorfeld der Premiere gesorgt. Der Rezensent, das sei an dieser Stelle bemerkt, konnte auch die Generalprobe besuchen.
Die Regisseurin Rodula Gaitanou und ihr Ausstatter George Souglides lassen die Oper im zwanzigsten Jahrhundert spielen. Es gibt Referenzen zu beiden Weltkriegen, eine genaue zeitliche Verortung unterbleibt. Landschaft spielt auf der Bühne – angefangen mit dem Bühnenvorhang, der Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mönch am Meer“ zitiert – eine wichtige Rolle. Daneben treten religiöse Symbole immer wieder deutlich in den Vordergrund, was auch mit der Entscheidung zusammenhängt, aus dem Marquis einen Kardinal von Calatrava zu machen. Das Kriegsgeschehen bleibt dagegen recht im Diffusen, man kann dessen verheerende Auswirkungen nicht wirklich fassen. Die von menschlicher Zerstörungswut gezeichneten Bäume liefern dazu eher einen knappen Hinweis und die Rataplan-Szene des dritten Akts bietet zwar eine interessante Chorführung, bleibt aber als Bild, als mögliche Kriegskritik zu schwach. Gaitanou überzeugt vor allem dann, wenn sie Chor und Solisten als lebendiges Tableau präsentieren kann (2. Akt, 1. Szene oder Rataplan). In den intimen Szenen der Oper gerät in der Personenführung manches gar plakativ, ein Eindruck, der durch den sehr expliziten Einsatz religiöser Symbolik noch verstärkt wird. Davon abgesehen gelingt der Regisseurin aber eine gute Erzählung, die das schicksalshafte Geschehen zwischen Krieg und Religion ansiedelt. Einmal wird die Handlung gar auf zwei Ebenen und mit drei Parallelaktionen vorgeführt. Gaitanou legt Wert auf den erzählerischen Fluss und auf starke Bilder – und sie liefert auch Begründungen für entscheidende Handlungsmomente. So prägt der Vater, hier ein Kardinal, das religiöse Bewusstsein von Leonora, das schliesslich zum Gang in die Einsiedelei führt. Don Carlos erlebt als Knabe den schicksalshaften Tod des Vaters mit und zielt am Ende der Eingangsszene mit der Pistole auf den entfliehenden Don Alvaro, der ihn etliche Jahre später tödlich verwundet. Schicksalhaftes Handeln wird so anschaulich gemacht.
Das Orchester kann unter der Leitung von Paolo Carignani seine positive Entwicklung bestätigen. Das wird erlebbar im dramatisch vorwärtsdrängenden Gestus der Musik, aber ebenso in schönen instrumentalen Soli. Ein paar Unsicherheiten treten noch in der Koordination zwischen Graben und Bühne zu Tage. Carignani hat in jedem Fall gut mit dem Orchester gearbeitet. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor ist auf der Höhe seiner Aufgaben und zeigt sich auf der Bühne recht spielfreudig. Die Kollektive der Nationaloper gewinnen fraglos an Qualität.
Schaut man auf die Besetzung, so ist es vor allem der Abend von Cellia Costea als Leonora. Sie gibt alles und findet zu einer eindringlichen Interpretation. Obschon die Rolle für ihre Stimme etwas zu spät kommt, hört man ein beredtes Singen, dramatische Ausbrüche und Piano-Momente. Marcelo Puentes Stimme hat eine schöne dunkle Farbe, mit den Höhen tut er sich aber bisweilen etwas schwer. Der Tenor zeigt aber als Don Alvaro im Ganzen eine schöne Leistung. Dimitri Platanias als Don Carlo wird der Dramatik der Rolle vollumfänglich gerecht. Er ist kein grosser Gestalter, klingt aber in dieser Verdirolle weniger monoton als in anderen zuvor. Petros Magoulas singt den Marquis resp. Kardinal von Calatrava und den Padre Guardiano und er überzeugt mit seinem wohlklingenden Bass. Weniger einnehmend ist der Gesang von Oksana Volkova als Preziosilla. Ihrem Mezzosopran fehlt es etwas an Durchschlagskraft. Die kleineren Rollen sind sehr zufriedenstellend besetzt. Allen voran ist dabei Yanni Yannissis als Fra Melitone zu nennen. Die Produktion der griechischen Nationaloper überzeugt, um das Genannte zusammenzufassen, mit einer sehr guten Ensembleleistung.
Das Publikum folgt dem Geschehen aufmerksam und spendet am Schluss anhaltend Beifall und Bravorufe. Es bleibt zu hoffen, dass es zu mindestens einer Wiederaufnahme dieser sehens- und hörenswerten Produktion kommt.
Ingo Starz (Athen)