Griechische Nationaloper, Athen: Giacomo Puccini: La Bohème
Besuchte Vorstellung am 27. Dezember 2024
Aussenseiter der Gesellschaft
Foto: Griechische Nationaloper
Das Athener Opernleben wird stark vom italienischen Repertoire bestimmt und innerhalb dessen sind es die Werke von Giacomo Puccini, die ganz regelmässig auf die Bühne kommen. Zur Weihnachtszeit setzt man gerne „La Bohème“ auf den Spielplan – wohl weil man weiss, dass ausverkaufte Vorstellungen garantiert sind. Ein paaŕ Vorstellungen der Wiederaufnahme verdienen Interesse, da sie zwei Gäste in den Hauptrollen präsentieren.
Über Graham Vicks Inszenierung und die Ausstattung von Richard Hudson wurde an dieser Stelle bereits berichtet. Der Regisseur setzt die Handlung in die Gegenwart, versucht die Künstler-WG lebensnah darzustellen. Sieht man im ersten Akt den etwas chaotisch anmutenden Männerhaushalt, so blickt man im letzten Akt auf eine nahezu leere Wohnung. Die Künstler haben ihre Bleibe verloren. Der dritte Akt zeigt einen Strassenzug, der mit seinen Graffiti an Athen erinnert und der ein Ort von Prostitution und Drogen ist. Was leider bei alledem wenig lebensnah ist, das ist die klischeehafte Personenführung. Das Geschehen wirkt fast immer zu gespielt und es mangelt an interessanten Details.
Der Dirigent Jacques Lacombe hat es auch nicht so mit den Details. Das Orchester der Nationaloper klingt unter seiner Leitung solide, bleibt aber klanglich eher im Pauschalen. Die von Agathangelos Georgakatos und Konstantina Pitsiakou einstudierten Chöre bieten gute Leistungen.
Die Besetzung reisst einen nicht unbedingt vom Stuhl. Ivan Magri als Rudolfo bietet mehr dramatischen Ton als glänzende Höhen. Die Binnenzeichnung der Rolle kommt zu kurz. Anna Sohn als Mimi überzeugt ebenfalls in den dramatischen Momenten mehr. Im Lyrischen würde man sich eine rundere Tongebung, ein markanteres Aufblühen der Stimme in der hohen Lage wünschen. Nikos Kotenidis als Marcello gibt ein gelungenes Stimmporträt, Tassos Apostolou als Colline weiss ebenfalls zu gefallen. Marios Sarantidis‚ Bariton klingt leider älter als der Sänger ist, es fehlt an Fülle und Ausdruckskraft. Danae Kontora als Musette ist zu soubrettenhaft und gibt der Rolle dadurch nicht das nötige Gewicht. Die kleineren Rollen sind ansprechend besetzt. Szenisch und musikalisch ist dies eine Repertoirevorstellung, die einem kaum im Gedächtnis bleiben wird.
Am Ende der Aufführung gibt es starken Beifall für alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)