Griechische Nationaloper, Athen: Herzog Blaubarts Burg/Gianni Schicchi
Besuchte Vorstellung am 19. März 2023
Vom Dunkel ins Licht
Die Griechische Nationaloper fällt nicht gerade durch eine ausgefeilte, dramaturgische Spielplangestaltung auf. Immerhin haben Opern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren festen Platz im Programm. Erfreulich ist, dass nun Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ wieder auf die Bühne kommt. Es ist klar, dass man das Werk mit einer anderen Opern koppeln muss. Warum dies aber ausgerechnet Giacomo Puccinis Einakter „Gianni Schicchi“ sein muss, erschliesst sich nicht recht. Es mag dem Verlangen des Publikums nach Unterhaltung geschuldet sein.
„Herzogs Blaubarts Burg“. Foto: Nationaloper
Themelis Glynatsis, der Regisseur der Bartók-Oper, verfolgt einen symbolischen Erzählpfad. Der Ausstatter Leslie Travers schafft ihm dazu ein imposantes Bühnenbild, das ein zeitgenössisch anmutendes Schlafzimmer in eine Art felsige Seelenlandschaft einbettet. Wenn die zwei letzten Schlüssel zum Einsatz kommen, ist der Innenraum einer schwarzen Höhle gewichen, in der am Ende die ermordeten Frauen Blaubarts erscheinen. Es gibt in Glynatsis‘ Inszenierung keine sieben Türen, aber reichlich symbolische Gegenstände und Handlungen. Der ältere Mann, der anfangs im Bett liegt, wird am Ende von Blaubart gefüttert. Es könnte ein Alter Ego des Herzogs sein. Keine Frage, was man zu sehen bekommt, macht dank dem Bühnenbild Eindruck. Man würde sich aber gleichwohl bisweilen mehr Leben und weniger Ritual in der Darbietung wünschen. Der Regisseur interessiert sich mehr mehr für Symbole denn für Zeitgenossenschaft. Tassos Apostolou bietet als Blaubart mit sonorem Bass und gerundetem Ton eine schöne Leistung. Violetta Lousta bemüht sich sehr um eine differenzierte Rollengestaltung und vermag zu spielen, leider stehen ihr aber nicht ausreichend stimmliche Mittel zur Verfügung. Mit Schwächen in der Mittellage und ohne dramatische Expansionsfähigkeit in der Höhe bleibt ihr stimmliches Porträt der Judith blass und unvollständig.
„Gianni Schicchi“. Foto: Nationaloper
Nach der Pause kommt Giacomo Puccinis „Gianni Schicchi“ zur Aufführung. John Fulljames inszeniert den heiteren Einakter flott und routiniert. Alles Geschehen verdichtet sich in einem kleinen, auf die weite Bühne gesetzten Schlafzimmer (Ausstattung: Richard Hudson). Der zum Tremolo neigende, nicht eben farbenreiche Bariton von Dionysios Sourbis als Gianni Schicchi ist die einzige Schwachstelle in einem Ensemble, das beherzt aufspielt und gut singt. Genannt seien stellvertretend für alle Sänger Vivi Sykioti als Lauretta, Yannis Christopoulos als Rinuccio, Christophoros Stamboglis als Simone und Haris Andrianos als Notar. Es ist eine wirklich gelungene Ensembleleistung.
Das Orchester der Nationaloper zeigt sich unter der Leitung von Vassilis Christopoulos bestens vorbereitet. Der Dirigent hat schon wiederholt mit Dirigaten moderner Werke überzeugt. Seine differenzierte, farbenreiche und nie zu laut werdende Interpretation von Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ ist das Highlight des Abends.
Das Publikum im ausverkauften Opernhaus spendet viel Beifall. Der Doppelabend stösst auf Zustimmung.
Ingo Starz (Athen)