Griechische Nationaloper, Athen : Edward Clug/Léo Delibes, Milko Lazar: Coppélia
Besuchte Vorstellung am 17. Mai 2024
Coppélius‘ Roboterwelt
Die Griechische Nationaloper nimmt sich in den letzten Jahren auch im Bereich Ballett vermehrt der Erweiterung und Auffrischung des Repertoires an. Die Neuinterpretation bekannter Ballette gelingt nicht immer – Konstantinos Rigos‘ „Schwanensee“ etwa fand zu keiner ûberzeugenden tänzerischen Sprache. Nun ist „Coppélia“ an der Reihe, ein Werk, das 1870 in Paris zur Uraufführung kam. Die Nationaloper hat den slowenischen Choreografen Edward Clug eingeladen, seine im Vorjahr am Theater Basel uraufgeführte Produktion in Athen einzustudieren. Clug verwendet teilweise die Originalmusik von Léo Delibes und zusätzlich eine neue Komposition von Milko Lazar. Das Verbinden alter und neuer Musik ist ein durchaus übliches Verfahren. Was hat nun dieses mit Clugs Herangehensweise an „Coppélia“ zu tun?
Edward Clug nimmt den dunklen Ton der Erzählung „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann, welche der Handlung von „Coppélia“ zugrundeliegt, Ernst. Mit der Hinzunahme neuer Musik von Milko Lazar, welche starke rhythmische Akzente setzt, schafft der Choreograf zudem einen zweiten Raum, eine Welt des Erfinders Coppélius, eine Welt mechanischer Menschenpuppen oder Roboter. Er versucht dabei allen Figuren Raum zu geben, wovon insbesondere Coppélius und Coppélia profitieren. Er fügt ferner dem Erfinder einen Assistenten hinzu. Menschen- und Maschinenwelt prallen in Clugs „Coppélia“ aufeinander, die des Corps de Ballet, machen dies deutlich. Diese inhaltliche Verschiebung macht durchaus Sinn, der neugeformten Handlung lässt sich gut folgen. Die Puppen-Menschen werden überzeugend mit abrupt wechselnden, etwas ungelenk anmutenden Bewegungen präsentiert. In der anderen Welt wird eine von klassischen Posen inspirierte wie befreite Bewegungssprache verwendet. Das Klassische wird dabei beinahe ritualhaft in Szene gesetzt, als ob sich eine Gesellschaft ihrer Wurzeln erinnern würde. Die Gruppenszenen der Choreografie sind prägnanter als die Soli resp. die Behandlung der Solisten. Das Bühnendesign von Marko Japelj setzt einen weissen Rahmen auf die Bühne, der umgekippt Coppélius‘ Haus markiert und so geschickt die beiden Welten miteinander verbindet. Ob es der Kirschensymbolik – laut Clug verweist die Frucht auf das Feminine und Romantische – bedarf, sei angezweifelt. Immerhin stören die Kirschen als Objekt und Kostümelement nicht besonders. Ihre Form und Farbe bringen gleichsam ein Pop-Art-Moment auf die Bühne.
Das tänzerische Niveau fällt erfreulich aus. Das Corps de Ballet vermag es die beiden Welten des Stücks stimmungsvoll und akkurat in Szene zu setzen. Bei den Solisten sind es etwas mehr die Männer, welche markante Akzente zu setzen vermögen. Danilo Zeka stellt einen agilen, maskulinen Coppélius dar, während der Franz von Yorgos Hatzopoulos mit weichen, fliessenden Bewegungen als romantischer Held gezeichnet ist. Despina Chryssostomou überzeugt als puppenhafte Coppélia, während Ariadni Filippaki eine anmutige Swanilda auf die Bühne bringt. Kaito Takahashi ist der als emsiger Helfer in Erscheinung tretende Assistent. Alle Tänzerinnen und Tänzer sorgen für eine gelungene Darbietung von Edward Clugs Neufassung der „Coppélia“. Das der Choreografie bisweilen etwas die Luft ausgeht ist fraglos nicht ihre Schuld.
Am Schluss gibt es viel Beifall und vereinzelte Bravorufe für die Solisten.
Ingo Starz (Athen)