Griechische Nationaloper, Athen
Cavalleria rusticana & Pagliacci
Besuchte Vorstellung am 4. Februar 2024
Verloren in religiösem Kitsch
Giorgos Koumendakis, der Direktor der griechischen Nationaloper, hat Ambitionen. Er möchte das Haus zu einer führenden Operinstitution machen. Eine tragfähige künstlerische Vision hat er freilich nicht. Das bestätigt auch die Neuinszenierung des beliebten Doppelabends, Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Ruggero Leoncavallos „Pagliacci“. Die beiden Opern teilen sich das Einheitsbühnenbild von Leslie Travers, das den Osterhintergrund der „Cavalleria rusticana“ zum Anlass nimmt, eine pentrant religiös gefärbte Deutung der Stücke in Szene zu setzen. Ein Windrad nimmt das Zentrum der Bühne ein, zwei tribünenartige Aufbauten finden daneben Platz. Das Ganze wirkt in der Tat ein wenig wie ein Altarbild, wobei das Windrad Fragen aufwirft. Christusfiguren, eine kleinwüchsige Mutter Gottes, Blumengärten in rot und eine afrikanischer Mode folgende Bekleidung des Chor sind nur ein paar der Elemente, die man zu sehen bekommt. Dazu kommt der Einsatz farbiger Lichtkonsolen, der ebenfalls, wie man im Programmheft liest, religiös konnotiert ist – man denke an das Osterlicht. An der Ausstattung wurde wahrlich nicht gespart. Dem Verismus der Werke ist dies freilich nicht zuträglich, zumal dem Regisseur Nikos Karathanos wenig Raum für Personenführung bleibt. Der Chor tritt meist blockhaft in Erscheinung, die Sänger ergehen sich häufig in altbekannten Gesten. Die Emotionen der Hauptfiguren finden so leider keine überzeugende Entsprechung auf der szenischen Ebene. Es ist als ob Mascagni und Leoncavallo nach Oberammergau überführt worden wären. Eine opulente Kitschorgie.
Um die musikalische Seite steht es wesentlich besser. Der Dirigent Antonello Allemandi führt alle Beteiligten souverän durch den Abend. Bei „Cavalleria rusticana“ mangelt es noch etwas an leidenschaftlichem Drive, die „Pagliacci“ geraten aber sehr intensiv. Chor und Kinderchor des Opernhauses zeigen starke Leistungen. Der Star des Abends ist fraglos der armenische Tenor Arsen Soghomonyan. Zunächst etliche Jahre als Bariton auf der Bühne, wechselte Soghomonyan vor ein paar Jahren ins Tenorfach. Der Sänger verfügt über einen heldischen Tenor mit beeindruckender Stamina. Die trompetenhafte Höhe überwältigt das Publikum, insbesondere im „Pagliacci“-Finale, wo szenisch zu wenig passiert. Man wünscht sich, Soghomonyan bald wieder in Athen hören zu können.
Ekaterina Gubanova als Santuzza und Dimitri Platanias als Alfio/Tonio boten sehr gute Leistungen. Gubanova würden man etwas mehr Stimmfarben und Platanias eine mehr differenzierte Stimmführung wünschen, überzeugend und powerful sind aber beide. Schöne Leistungen hört man von den Sängerinnen und Sängern einiger kleinerer Rollen, Diamanti Kritsotaki als Lola, Julia Souglakou als Lucia und Yannis Kalyvas als Beppe. Bei Dimitris Sourbis als Silvio stört ein starkes Tremolo, Cellia Costea ist stimmlich doch deutlich überreif für die Rolle der Nedda. Alle Sängerinnen und Sänger treten als Darsteller, was vor allem der Inszenierung zuzuschreiben ist, zu wenig in Erscheinung. Es ist eine ziemlich statische Aufführung. Das Ensemble sorgt aber musikalisch für einen sehr guten Opernabend.
Das Publikum spendet nach beiden Werken reichlich und begeistert Beifall.
Ingo Starz (Athen)