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ATHEN/ Griechische Nationaloper: CARMEN – Ballett von Johan Inger

19.02.2024 | Ballett/Performance

Griechische Nationaloper, Athen 

Carmen. Ballett von Johan Inger 

Besuchte Vorstellung am 18. Februar 2024

Don José im Zentrum 

carm

Der schwedische Choreograf Johan Inger hat das Ballett „Carmen“ im Jahr 2015 für die Compañía Nacional de Danza in Spanien kreiert. Nun hat das Werk seinen Weg nach Athen gefunden. Inger hat sich für die Handlung mehr an Mérimées Erzählung denn an Bizets Oper orientiert. Die Geschichte wird darum aus der Perspektive Don Josés erzählt, die Frau rückt so etwas in Distanz. Es geht um seine Erfahrungen, sein Leiden an der Frau Carmen. Das macht in der Tat einen Unterschied zur Oper, es rückt den zweiten Teil des Abends geradezu ins Dunkle. Das folkloristische Moment der Oper verschwindet. Man sieht eine andere Version der „Carmen“. Johan Inger seziert mit kühlem Blick das Verhältnis der Hauptfiguren, ein zeitgenössisches Bühnendesign bringt ständige Wechsel zwischen Innen und Aussen. Die Tanzsprache des Schweden vereint unterschiedliche Einflüsse, zeigt elegante Bewegungen, ist aber auch expressives Tanztheater. Es ist gerade Don José, der in dieser Choreografie viel Persönlichkeit und neue Facetten gewinnt. Und die Intensität des Tanzes, welche Inger entfacht, weiss zu überzeugen.

Der musikalische Part lässt Auszüge der Opernmusik erklingen, allerdings in einer Bearbeitung von Rodion Shchedrin. Zusätzlich kommt Musik von Marc Álvarez zur Verwendung, die einen elektronischen Klangaspekt ins Ganze einbringt. Álvaro Domínguez Vázquez hat den Bizetschen Part neu orchestriert. Im Orchestergraben erlebt man ein kleineres Ensemble, aus welchem das Schlagwerk klanglich hervorsticht. Bizet ertönt auf interessante Weise verfremdet wie auch erweitert und bekommt bisweilen eine beinahe ironische Note. Die musikalische Mixtur funktioniert sehr gut und was man hört, ist wirklich erfrischend ungewöhnlich. Am Pult des Orchesters hält Ektoras Tartanis die Fäden bestens zusammen. Der in Stuttgart geborene Dirigent sorgt für eine absolut stimmige Wiedergabe der Musik und eine sehr gute Koordination zwischen Graben und Bühne. Klangbild und Tanz verschmelzen zu einem Ganzen.

Johan Ingers „Carmen“ ist ein tänzerisch dankbares Stück. Man sieht, dass es die Tänzerinnen und Tänzer des Athener Balletts mögen. Aufgrund der Tatsache, dass Don José gleichsam als Opfer Carmens ins Zentrum rückt, wird Vangelis Bikos zum Zentrum der Aufführung. Ausdrucksstark tanzt er die Rolle, füllt den Raum noch mit kleinen Bewegungen aus. Elena Kekkou als Carmen, Yannis Mitrakis als Toreador, Yannis Gantsios als Zúñiga, Alicia Townsend als Knabe und alle weiteren Beteiligten bieten eine Aufführung auf hohem Niveau. Die Transformation eines klassischen Stoffes in zeitgenössischen Tanz ist hier vortrefflich gelungen. Man darf hoffen, mehr solcher Abende im Athener Opernhaus erleben zu können. 

Das Publikum ist sehr angetan von der Produktion und feiert am Schluss alle Beteiligten ausgiebig.

 

Ingo Starz (Athen)

 

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