Griechische Nationaloper, Athen
Béla Bartók: Herzog Blaubarts Burg & Sergei Rachmaninow: Aleko
Besuchte Vorstellung am 16. November 2024
Im letzten Winter brachte die Griechische Nationaloper zwei sehr unterschiedliche Einakter als Opernabend auf die Bühne: Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ und Giacomo Puccinis „Gianni Schicchi“. Das machte nun nicht eben viel Sinn, zumal auch die beiden Regisseure unterschiedliche Wege einschlugen. Puccinis Werk diente dabei wohl als Lockvogel für das Publikum. Nun wurde die Bartókoper wiederaufgenommen und mit einem anderen Werk kombiniert, Sergei Rachmaninows „Aleko“. Die Opern mögen sich thematisch etwas näher stehen, doch die Frage bleibt, warum man zu Bartóks Meisterwerk nicht ein weiteres Werk der musikalischen Moderne hinzugefügt hat. Im Schönberg-Jahr wäre dessen 1930 uraufgeführter Einakter „Von heute auf morgen“ eine grossartige Ergänzung gewesen. Der Athener Oper dürfte dies aber wohl zu viel an Wagnis bedeuten.
Die Inszenierung von Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ wird, wie bereits anlässlich der Premiere beschrieben, vom Bühnenbild (Leslie Travers) dominiert. Dieses zeigt ein Schlafzimmer, das sich gleichsam in einem in der Bühnenschräge aufsteigenden Tränenmeer – das findet sich bekanntlich hinter einer der sieben Türen – der Erinnerungen befindet. Das macht auf den ersten Blick Eindruck. Überdeutliche Symbole und eine recht vage Personenführung erzeugen aber Statik und Leerlauf auf der Bühne. Das Problem ist nicht der Verzicht auf die sieben Türen, sondern der Umstand, dass es der Regie von Themelis Glynatsis an Theatralik mangelt. Dass der Herzog in seinen drei Lebensaltern auf die Bühne kommt, bringt etwas Belebung, macht die Aufführung aber nicht schlüssiger lesbar. Verrätselung statt Dekonstruktion. Tassos Apostolou und Violetta Lousta sangen schon die Premiere. Leider klingt der Sänger des Blaubarts in den Höhen angestrengt und lässt öfters stimmliche Farben vermissen. Lousta als Judith hingegen hat nicht das nötige Stimmvolumen für die Rolle und bleibt gestalterisch eindimensional.
Wenn etwas den Bartók zum Leuchten bringt, dann ist es das Orchester. Der Dirigent Fabrizio Ventura leitet den Klangkörper mit Umsicht, er sorgt für ein farbenreiches Spiel und gute dynamische Abstufungen. Gekonnt wird auch das zweite Werk des Abends, Rachmaninows „Aleko“ zur Aufführung gebracht, wo der slawische Tonfall die Musik bestimmt. Hier kommt auch der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor zum Einsatz, der klangvoll auftritt, aber nicht eigentlich agiert.
„Aleko“. Copyright: Griechische Nationaloper
Die Regisseurin Fanny Ardant lässt die Oper mit einer Reminiszenz an Puschkin beginnen, auf dessen berühmtem Poem das musikalische Werk basiert. Man erblickt den Dichter in einem Logentheater, wo er fasziniert den Tanz einer Zigeunerin betrachtet – und so zu seinem Poem inspiriert wird. Dann öffnet sich die Szene, die beiden Logenranghälften mit dem darin befindlichen Chor werden an die Bühnenseiten gefahren. Man erblickt den Wagenplatz der Zigeuner. Die Handlung entfaltet sich an diesem Ort, dessen Ausstattung (Pierre-André Weitz) die Mitte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Statt auf Personenführung setzt Ardant auf die tänzerischen Einlagen, welche in der Choreografie von Israel Galván aber wenig Wirkung entfalten. Die Sängerinnen und Sänger wirken recht verloren in diesem Setting. Tassis Christoyannis als Aleko und Yannis Yannissis als Alter Mann können stimmlich mit ihren sonoren Baritonstimmen überzeugen. Das Liebespaar, Myrsini Margariti als Zemfira und Yannis Christopoulos als junger Zigeuner, fallen hingegen ab. Beide Stimme haben nicht den Ton und das Volumen für die Partien. Ines Zikou ist rollendeckend als Zigeunerin. Wie schon bei Bartók zuvor ist es das Orchester und nun auch der Chor, die das musikalische Geschehen bestimmen.
Nach jeder Oper gibt es reichlich Beifall für alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)