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ATHEN/ Griechische Nationaloper/ Alternative Bühne: DER UNTERGEHER – Thomas Berhard im Puppenhaus

27.04.2024 | Theater

Griechische Nationaloper / Alternative Bühne 

Der Untergeher
Besuchte Vorstellung am 26. April 2024

Bernhard im Puppenhaus 

Thomas Bernhard war ein Autor der Sprache als Form von Widerständigkeit, als grimmiger Einspruch. Seine Sätze vermochte er in soghafte Loops zu verwandeln. Seine als schneidende Beobachtungen, wütende Auslassungen, ja Hasstiraden geformten Texte sprechen von komplexen Beziehungsgefügen und immer wieder von der Kunst. Auch in seinem Roman „Der Untergeher“ geht es um das Künstlerische. Der Realität entnommen ist der Pianist Glenn Gould. Dem bedeutenden Künstler sind im Roman zwei gescheiterte Pianisten gegenübergestellt – Wertheimer und der Erzähler -, die einst Mitschüler des Hochbegabten waren. Der Text kreist um Fragen des Virtuosentums und des Lebens sowie um die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. 

Ektoras Lygizos hat aus Bernhards Text ein Schauspiel mit Musik gemacht. Man könnte fragen, warum es auf der Alternativen Bühne der Griechischen Nationaloper zur Aufführung kommt. Sollte es deren Aufgabe nicht sein, neues Musiktheater zu präsentieren? In rund 100 Minuten erzählt die Stückfassung durchaus plausibel die Handlung des Romans. Dabei bleibt sie allerdings zu sehr in der Darstellung der äusseren Handlung stecken. Diese ist in eine Kulisse gesetzt, die weit nach vorne an die Bühnenrampe gerückt an ein Puppenhaus erinnert. Erzählweise und Bühnenbild (Myrto Lambrou) lassen den Text leider netter und harmloser erscheinen als er ist. Eingezwängt in die Enge eines Puppenhauses wirkt Thomas Bernhards ausschweifender Wortschwall seltsam kontrolliert, gebändigt, ordentlich und kleinmütig. Die Figuren auf der Bühne bewegen sich dabei zu sehr in gesetzten, choreographischen Mustern, die Dimitris Mytilineos kreiert hat. Der beste Moment des Abends findet statt, wenn die Protagonisten an den putzigen Tischen zum Essen sitzend in einen leicht verrückt anmutenden Singsang deutscher Sprache verfallen. Da tun sich performative Freiheit, eine gedankliche Weite und eine theatralische Qualität auf, die der Inszenierung ansonsten fehlen.

Ektoras Lygizos steht als Glenn Gould auf der Bühne und er sitzt auch am Klavier.  Er inszeniert sich dabei etwas zu sehr in der Pose eines Sonderlings. Yiannis Niarros als Erzähler legt gar viel Ruhe und wohlklingenden Erzählton in seine Rede. Der Bernhardsche Sound, der verbale Furor des österreichischen Autors vermittelt sich hier nicht. Die interessanteste Figur auf der Bühne ist Aris Balis als Wertheimer. Er gewinnt dem Charakter unterschiedliche Facetten ab, macht den gescheiterten Künstler sichtbar. Amalia Moutousi steht als Hotelbesitzerin auf der Bühne. Die Besetzung hätte sicherlich mehr darbieten, theatralisch erfahrbar machen können, wenn die Inszenierung mutiger mit dem Text umgegangen wäre und sich eher von diesem gelöst hätte. Das Result ist nun eine solide, allzu brave szenische Nacherzählung.

Das Publikum im ausverkauften Saal spendet am Ende reichlich Applaus. 

Ingo Starz (Athen)

 

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