Griechische Nationaloper / Alternative Bühne, Athen
Colors. Zeitgenössisches Tanztriptychon
Besuchte Vorstellung am 17. November 2023
Ein buntes Allerlei
Die Alternative Bühne der Griechischen Nationaloper scheint sich als Spielort des Balletts zu etablieren. In der Tat sind die dortigen Verhältnisse bestens geeignet, zeitgenössische Choreografien nah ans Publikum zu bringen. Unter dem Titel „Colors“ werden nun drei neue Arbeiten präsentiert, zwei davon von griechischen Choreografen. Das Interesse des Publikums ist gross, und man ist gespannt darauf zu sehen, wie farbenreich und vielleicht auch wagemutig-experimentell die drei Stücke daherkommen.
Diego Tortellis Stück „Hole in Space“ zur Musik von Federico Bigonzetti kam 2021 in Zeiten der Pandemie in einer Onlineversion heraus. Der in München wirkende Künstler entwickelt nun für Athen ein 20-minütiges Werk, das vom Gedanken des Videochats angetrieben wird. Die dunkle Bühne ist von Leuchtstäben begrenzt, zwei Screens sind im Hintergrund positioniert. Die sechs Tänzerinnen und Tänzer kommunizieren mit oder reagieren auf Text und Musiker, die auf den Screens erscheinen. Wir sehen kommunikative Gebärden, die immer wieder aus dem Ruder laufen. Zu sehen sind auch Momente von Einsamkeit, wie ein sich versunkener Körper. Es ist ein Stück über die Schwierigkeiten des Miteinanderseins in Phasen räumlicher Trennung. Die Formensprache Tortellis ist neoklassisch, der ästhetische Wagemut hält sich in Grenzen. Mehr Ausdruck und Intensität wäre möglich gewesen.
„W(o)man“ von Eva Georgitsopoulou zur Musik von Sebastian Diakakis Nilo dreht sich um Selbstschutz, darum, wie Körper auf Gefahr oder Bedrohung reagieren. Dieses Mittelstück des Abends ist dasjenige, welches am meisten Intimität vermittelt. Georgitsopoulou bedient sich einer Formensprache, welche auf grosse, klassische Posen verzichtet. Die Körper des neunköpfigen Ensembles fügen sich organisch zueinander, fallen auseinander und geben Raum für das nach einem sicheren Ort suchende Individuum. Die Choreografin setzt überzeugend auf behutsame, oft tastende Gebärden. Eine gelungene 15-minütige Skizze einer verstörten Gemeinschaft.
Das dritte Werk stammt von Konstantinos Rigos, dem Ballettdirektor der Griechischen Nationaloper. Erwartungsgemäss führt die Choreografie „Les Nuits d’été“ zurück in neoklassische Gefilde. Rigos bedient sich des gleichnamigen, sechsteiligen Liedzyklus von Hector Berlioz. Die Gedichte von Théophile Gautier beschreiben den Gang der Liebe von jugendlicher Unschuld bis hin zum Verlust. Stimme und Piano kommen an diesem Abend wegen einer Verletzung des Sängers vom Band. Tassis Christoyannis bietet begleitet von Sofia Tamvakopoulou eine glutvolle, intensive Interpretation der Lieder. Seine sängerische Darbietung ist der Höhepunkt des gut 30-minütigen Stücks. Die neun Tänzerinnen und Tänzer zeigen wohl gute Leistungen, allein der Choreograf bekommt den Gehalt der Musik nicht zu fassen. Seine Arbeit präsentiert ein Sammelsurium an Gesten und Bewegungen, mal klassisch, mal modern, die nur plakativ die Musik zu illustrieren vermögen. Ein schwaches Werk.
Das Publikum nimmt den Tanzabend wohlwollend auf.
Ingo Starz (Athen)