Copyright: Greek National Opera, Athen
Greek National Opera, Athen
The Fairy Queen
Derniere am 12. Mai 2018
Zauber der Verwandlung
Barockopern kommen auch in Athen seit längerer Zeit zur Aufführung, eine ausgesprochene Aufführungstradition hat sich freilich noch nicht entwickelt. Möglicherweise vermag die Nationaloper mit ihrem neuen Haus da Abhilfe zu schaffen. An erstklassigen Musikern und Sängern fehlt es jedenfalls nicht. Davon konnte man sich nun bei der Neuproduktion von Henry Purcells „The Fairy Queen“ auf der Alternativen Bühne des Hauses überzeugen. Die Oper des britischen Komponisten folgt Shakespeares „Sommernachtstraum“, zeigt aber deutliche inhaltliche Abweichungen. Das Team der Athener Aufführung hat sich gänzlich von der alten Erzählung gelöst und ein neues, überzeugendes Narrativ entworfen, das gleichsam um den Zauber der Verwandlung kreist.
Der Regisseur Yannis Skourletis vom Theaterkollektiv „bijoux de kant“ erzählt eine Geschichte vom Wechsel der Jahreszeiten, von Sehnsucht und Schönheitskult. Dabei treten neben den Verkörperungen der Jahreszeiten Daphne und Apollon als handelnde Figuren auf. Der Mythos von der Bergnymphe, die gegenüber der bedrängenden Liebe des Gottes unempfänglich ist – und dabei stehen beide im Bann von Eros -, erscheint hier locker eingeflochten in das heiter-ironische Spiel. Am Schluss, so könnte man denken, erlöst sich Daphne selbst, wenn sie sich zur Feenkönigin krönt. Vielleicht ist das Ganze aber auch ein Kommentar zur Liebessehnsucht der modernen Welt, zu deren Versuchen in Naturzustände zurückzukehren. Die Ausstattung von Konstantinos Skourletis ist grossartig gelungen. Sie imaginiert hinter einem schwarzen Gazevorhang ein Naturreich, wo die Jahreszeiten samt Gefolge hausen. Die Kostüme, welche keine Gendergrenzen kennen, liefern dabei einen ironischen Kommentar zur griechischen Identität, zeigen sie doch, wie sich zu Beginn des modernen Griechenlands Westeuropäer hiesige Traditionen anverleibt haben. Heute gelten diese Kostüme als griechisch. Vielleicht steckt darum in Daphne auch ein bisschen von Amalia, der ersten, aus Oldenburg stammenden Königin. Der Regisseur Yannis Skourletis erweckt die Szene souverän zum Leben: die schmachtende Daphne, der tanzende Apollon, die Rituale der Naturwesen vereinen sich zu einem traumverlorenen, anmutigen Spiel. Ein Augenschmaus ist das.
Das Hören steht dem Schauen keinesfalls nach: Der Abend ist auch ein grosser Ohrenschmaus. Der Dirigent Markellos Chryssicos entlockt mit dem Barockensemble Latinitas Nostra der Musik von Purcell alle denkbaren Farben, Rhythmen und Facetten. Das Orchester scheint gleichsam mit den Sängern zu atmen und zu kommunizieren. Das für die Aufführung erstellte musikalische Arrangement besticht in seiner geschlossenen Wirkung. Überzeugend und klangschön agiert der Chor der Stadt Athen, der von Stavros Beris bestens für seine Aufgabe präpariert wurde. Tasos Karachalios als Apollon verbindet in seinem Tanz ideale Nacktheit und Grazie.
Die sängerischen Leistungen lassen keine Wünsche offen: Theodora Baka als Daphne mit dem warmen Klang ihres Mezzosoprans und ihrer differenzierten Rollengestaltung; Nikos Spanos als Sommer mit seinem betörenden, souverän geführten Countertenor; Yannis Kalyvas als Herbst mit seinem kraftvollen Tenor; Fanie Antonelou als Frühling mit ihrer agilen, schön timbrierten Sopranstimme; Haris Andrianos als Winter mit seinem kernigen, klangvollen Bariton. Musik und Szene finden in dieser Aufführung in wunderbarer Weise zusammen: Ein ebenso barockes wie zeitgenössisches Gesamtkunstwerk.
Ovationen für alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)