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ATHEN/ Greek National Opera: SIMON BOCCANEGRA

23.01.2019 | Oper


Copyright: Greek National Opera

Greek National Opera, Athen: Simon Boccanegra

Besuchte Vorstellung am 22. Januar 2019

In der vergangenen Spielzeit begann die Griechische Nationaloper eine Zusammenarbeit mit dem Royal Opera House Covent Garden in London. Am Anfang stand die Uebernahme einer „Lucia di Lammermoor“-Inszenierung von Katie Mitchell aus dem Jahr 2016. Diese Produktion, die in Kuerze in den Athener Spielplan zurueckkehrt, kommt auesserlich traditionell daher, bringt aber eine interessante feministische Sicht auf die Titelheldin. Als zweite Uebernahme aus London gelangt nun Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ an die Nationaloper, eine Produktion, die bereits im Jahr 1991 ihre Premiere feierte. Die Auffuehrungsserie wurde erfolgreich als Ereignis beworben, so dass die angesetzten Vorstellungen im voraus ausverkauft waren und sogar ein Zusatzabend angesetzt wurde. Das erhoffte besondere Ereignis bleibt aber, um es vorweg zu sagen, aus.

Die Inszenierung von Elijah Moshinsky mit den Buehnenbildern von Michael Yeargan und den Kostuemen von Peter J. Hall mag viele Zuschauer durch seine der Renaissancearchitektur folgenden Raumentwuerfe und praechtige Figurentableaus beeindrucken. Die Statuarik der Szenen steht jedoch in seltsamem Kontrast zur emotionalen Figurenbildung Verdis. Die Regie laesst die Saengerinnen und Saenger nicht nur bevorzugt im weiten Raum herumstehen, ihr gelingt es darueber hinaus auch kaum, plausible Interaktionen zwischen den Figuren zu zeichnen. Dies macht beispielsweise eine Szene wie diejenige zwischen Amelia und Gabriele Adorno im ersten Akt ueberdeutlich. Vom Feuer der Liebe erzaehlt da nur die Musik. Natuerlich kann man sagen, dass Moshinsky gleichwohl die Handlung erzaehlt, denn was geschieht, kann man problemlos nachvollziehen. Tiefere Einsichten vermag der Regisseur dem Stoff aber nicht abzugewinnen, geschweige denn, dass er irgendeine Position bezoege. Er setzt ein paar schoene Bilder auf die Buehne, mehr nicht.

Leider tut es ihm in gewisser Weise Zoi Tsokanou, die Dirigentin der Auffuehrung, gleich. Man darf ihr zu Gute halten, dass sie den Apparat unter Kontrolle hat und fuer ein paar schoene klangliche Details sorgt. Was Tsokanou jedoch nicht gelingt, ist Spannung aufzubauen und dramatische Akzente zu setzen. Der musikalische Fluss kommt so gemaechlich (um nicht zu sagen schleppend) daher, dass man sich trotz der interessanten Komposition als Zuhoerer bisweilen zu langweilen beginnt. Der aktuelle „Simon Boccanegra“ an der Griechischen Nationaloper zeigt, dass man sich in Athen noch mehr Gedanken ueber die richtigen Dirigenten resp. Dirigentinnen und bessere Formen der internationalen Zusammenarbeit machen sollte. Die museal anmutende Inszenierung von Elijah Moshinsky hat es verdient, endlich in der Versenkung zu verschwinden.

Um die saengerische Seite der Verdi-Produktion ist es besser bestellt. Mit Dimitri Platanias hat man einen sehr guten Simon zur Verfuegung, der mit seiner frei stroemenden, stets fokussierten Baritonstimme beeindruckt. Szenisch kann er allerdings noch an Ausdruck zulegen. Christophoros Stamboglis als Fiesco ueberzeugt mit seinem maechtigen, flexiblen Bass. Als Amelia klingt Cellia Costea zwar schon etwas zu reif, sie hat aber ihre Stimme nach wie vor gut unter Kontrolle und vermag, dramatische Akzente zu setzen. Letzteres weiss der von Inszenierung und Orchesterspiel enttaeuschte Zuhoerer sehr wohl zu schaetzen. Dimitris Paksoglou’s Stimme fehlt das gewisse Etwas, sein Tenor verfuegt aber ueber die Toene und den dramatischen Kern fuer diese Rolle. Ansprechende Leistungen hoert man in den Nebenrollen, von Yannis Selitsaniotis als Paolo, Dionisos Tsantinis als Pietro, Yannis Kalyvas als Hauptmann und Vassiliki Petroyanni als Zofe.


Copyright: Greek National Opera

Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt auf solidem Niveau. Man darf zusammenfassend festhalten, dass es zumindest den Saengerinnen und Saengern immer wieder gelingt, die von Szene und Graben verursachte Spannungslosigkeit zu durchbrechen und Verdis Musik zum Sieg zu verhelfen.

Am Ende des Abends gibt es viel Applaus fuer alle Beteiligten und zahlreiche Bravorufe fuer Platanias und Costea.

Ingo Starz

 

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