Greek National Opera, Panathenaic Stadium
All Star Verdi Gala – Konzert am 10. Juli 2021
„ANNA IN ATHEN“
Foto: Greek National Opera
Griechenland feiert dieses Jahr den Beginn der Revolution vor 200 Jahren. Mit dem Aufstand der Griechen gegen die Osmanen beginnt auch die Geschichte des modernen griechischen Staats. Ausstellungen und Veranstaltungen finden sich überall im Land. Die Griechische Nationaloper wollte sich da auch nicht lumpen lassen und lud Anna Netrebko samt Gatten Yusif Eyvazov zu einer Operngala nach Athen ein. Ergänzt wurde das Paar um die Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili und den Bariton Dimitri Platanias. Um eine möglichst grosse Menge an Zuhörern erreichen zu können – am Ende waren es rund 8000 -, fand das Konzert am Ort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt, im Panathinaiko-Stadion. Das ist fraglos ein schöner, geradezu spektakulärer Ort. Er lässt aber, wie sich herausstellte, die rechte Stimmung für einen solchen Anlass vermissen. Die Begeisterung verlor sich deutlich in der Weite des Raums und die meisten Zuschauer schauten mehr auf die Screens und hingen mit ihren Ohren an den Lautsprechern als dass sie vom fernen Bühnengeschehen in den Bann gezogen worden wären. Immerhin funktionierte das Soundsystem trotz windiger Verhältnisse ziemlich gut.
Die musikalische Leitung des Abends hatte Philippe Auguin übernommen. Er sorgte am Pult des gross besetzten Opernorchesters für einen reibungslosen Ablauf. Das Orchester bot eine gute Leistung, wobei die Bläser einige Male positiv hervorstachen. Das Orchester präsentierte drei Ouvertüren – „Nabucco“, „I vespri siciliani“, „La forza del destino“ -, welche ganz gut aus den Lautsprechern herüberklangen. Das Gesangsprogramm bot das übliche Allerlei, von Auszügen aus „Rigoletto“ bis zu „Otello“. Waren die Close ups auf den Screens durchaus eine Bereicherung, so sorgte die Verstärkung der Stimmen eher für eine lästige Vergröberung der musikalischen Gesten. Aber das ist wohl üblich für solcherlei Anlässe.
Wie war es nun um die sängerischen Leistungen bestellt? Im Zentrum des Interesses stand natürlich Anna Netrebko und diese wusste ihr erstklassiges Stimmmaterial auch gut einzusetzen. Die Trovatore-Leonora kam jedoch schon etwas spät für ihre schwerer gewordene Stimme. Da fehlte es an Agilität. Eindrucksvoller gelang mit starken Klangfarben die Arie der Lady Macbeth aus dem ersten Akt von „Macbeth“. Höhepunkt des Abends war aber das Duett Aida-Amneris aus dem zweiten Akt von „Aida“. Netrebko und Rachvelishvili boten da grosse dramatische Gestaltungskunst und spannungsvolle Interaktion. Anita Rachvelishvili, die in Athen bereits als Carmen zu erleben war, bot sehr überzeugend die beiden Arien der Azucena aus „Il Trovatore“ dar. Sie verfügt über alles Nötige: Stimmfarben, Dramatik und Tiefe. Die beiden Damen hoben den Abend auf ein hohes Niveau.
Yusif Eyvazov konnte als Otello – im Duett mit seiner Frau – und Manrico mit Stamina, Dramatik und solider Höhe überzeugen. Bei den Zugaben verfehlte er jedoch den rechten Ton: Seinem Duca und Alfredo mangelte es hörbar an Eleganz und Schmelz. Eyvazov war allerdings der einzige, der mit dem Publikum kommunizierte. Dimitri Platanias kann man oft an der Nationaloper hören und man kennt darum seinen Mangel an Gestaltungskraft. Die Arien von Jago und Rigoletto erklangen mehr laut als gestalterisch durchdrungen. Statt Stimmfarben erlebte man eher klangliche Monotonie.
Der Athener Abend bot, wenn man das Erlebte zusammenfasst, ein paar grossartige musikalische Momente und einigen melodischen Wohlklang. Ein grosses künstlerisches Ereignis war die All Star Verdi Gala jedoch nicht.
Das Publikum dankte den prominenten Gästen mit viel Beifall und Bravorufen.
Ingo Starz (Athen)