Greek National Opera, Odeion des Herodes Attikus
Rezital Jonas Kaufmann
Konzert am 13. September 2021
Wohlklang mit Anlauf
Foto: A. Simopoulos
Es war ein Auftritt, der vom Publikum ersehnt und von der Griechischen Nationaloper mit Superlativen angekündigt wurde: das Erscheinen von Jonas Kaufmann auf der Bühne des Athener Odeions. Bevor man jedoch das Gelände betrat, vernahm man erst einmal den Protest griechischer Musiker. Sie prangerten die Praxis der Alternativen Bühne der Nationaloper an, Künstler mit Hungerlöhnen abzuspeisen. Auf der anderen Seite holt die Oper jedoch mit grosszügiger Unterstützung durch die Stavros Niarchos Stiftung teuere Starsolisten und Produktionen renommierter Häuser nach Athen. Irgendetwas stimmt da tatsächlich nicht und man konnte so den kritischen Aussagen nur zustimmen. Eine Institution wie die Nationaloper hat in Griechenland Vorbildcharakter – eine faire Bezahlung aller Mitarbeiter sollte darum selbstverständlich sein. Die Probleme sind leider schon länger bekannt. Es ist zu hoffen, dass das Opernhaus bald zu einer akzeptablen Lösung findet.
Jonas Kaufmann wurde von Anfang an mit sehr viel Beifall bedacht. In der Tat machte er auch im Konzert als Persönlichkeit auf dem Podium etwas her. Bedauerlicherweise befand er sich stimmlich nicht in Höchstform. Eine Erkältung könnte der Grund gewesen sein. Vor allem im ersten Teil entfalte sich die Stimme in der Höhe nicht recht, klang matt. Es war hörbar zu viel Anstrengung nötig, um die Stimme im Fokus zu halten. Kaufmann gab gleichwohl sein Bestes und steigerte sich im Laufe des Abends. Sein Gestaltungsvermögen und sein warmes, dunkles Timbre sorgten immer wieder für eindrückliche Momente. Auf’s Ganze gesehen ist festzuhalten, dass der tenorale Wohlklang einigen Anlauf brauchte, um sich voll zu entfalten.
Jochen Rieder, der am Pult des Opernorchesters stand, konnte kaum als Gewinn verbucht werden. Das Spiel der Musiker klang reichlich uninspiriert und da und dort tauchten Koordinationsprobleme auf. Die Bläsergruppen hatte man zudem schon in besserer Form gehört. Die vielen dargebotenen Vor- und Zwischenspiele sorgten darum für deutliche Längen. Selbst so effektvolle Werke wie Verdi’s Forza-Ouvertüre oder zwei Stücke aus Bizet’s Carmen verhalfen da nicht zum rechten Schwung. Man fragt sich schon, warum Jochen Rieder für ein Programm eingeflogen wurde, dass manch griechischer Dirigent besser dargeboten hätte.
Was bleibt vom bunten Arien-Programm, das Jonas Kaufmann in Athen präsentierte? Ziemlich gelungen waren seine Auftritte als Turridu und Andrea Chenier. Bei „Celeste Aida“ und der Blumenarie des Don Jose vermisste man jedoch Höhenglanz und Geschmeidigkeit der Stimmführung. Bei den beiden Arien aus „Tosca“ konnte man eine Steigerung bemerken – „E lucevan le stelle“ überzeugte mit dramatischer Gestaltungskraft. Grosszügig spendierte Kaufmann vier Zugaben, darunter Lehár’s „Dein ist mein ganzes Herz“.
Das Publikum im ausverkauften Odeion des Herodes Attikus feierte Jonas Kaufmann.
Ingo Starz (Athen)