Ermonela Jaho. Foto: Valeria Isaeva
Greek National Opera, Athen
Madama Butterfly (Besuchte Vorstellung am 20. Oktober 2020)
Seelenleben einer Geisha
Die Griechische Nationaloper wollte im Juli im Odeion des Herodes Attikus Giacomo Puccinis „Tosca“ zur Aufführung bringen. Dies erwies sich aus bekannten Gründen als problematisch und folglich nicht machbar. Nun steht mit „Madama Butterfly“ zur Saisoneröffnung im Stammhaus ein anderes Werk desselben Komponisten auf dem Programm.
Der Inszenierung von Hugo de Ana merkt man an, dass sie für einen anderen, grösser dimensionierten Ort konzipiert wurde. Sicher, das Aufeinderprallen der Kulturen, der Konflikt zwischen Moderne und Tradition, das alles kommt in dieser Produktion vor. Da diese Aspekte jedoch reichlich plakativ und mit eher kitschigen Videoprojektionen – designed von Sergio Metalli/Ideogamma SRL – illustriert werden, lässt die Szene Momente von Intimität fast gänzlich vermissen. Alles ist mit dem grossen Pinsel angerichtet und mit opulenten Kostümen versehen. Die dreiteilige Hausstruktur, welche den Bühnenvordergrund einnimmt, wird mit einer mässig interessanten Personenführung bespielt. Von einer tiefschürfenden Interpretation ist Hugo de Anas Inszenierung weit entfernt. Immerhin dürfte diese Produktion die Schaulust mancher Zuschauer befriedigen.
Aufgrund der Covid-19-Massnahmen wird Puccinis Oper in einer reduzierten Orchesterfassung von Ettore Panizza präsentiert. Dies tut der Wirkung und dem Farbenreichtum der Musik erfreulicherweise keinen Abbruch. Das Orchester bietet unter der Leitung von Lukas Karytinos eine recht gute Leistung. Freilich würde man sich wünschen, dass der Dirigent mehr als nur Sachwalter des musikalischen Geschehens wäre. Was man zu hören bekommt, weist kaum ein interpretatorisches Profil auf. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor hat nicht allzu viel zu tun und ist dabei nicht immer gut hörbar. Es bleibt unklar, woran dies liegt.
Dass der Abend zu einem grossartigen Erlebnis wird, verdankt sich Ermonela Jaho als Cio-Cio-San. Ihre Butterfly hat stimmlich und darstellerisch alles, was man sich wünscht: ein farbenreiches Timbre, dramatische Glut und eine ausserordentliche Pianokultur. Jaho gelingt es mit ihrem eindrucksvollen Gesang, grosse Momente von Intimität und Fragilität zu evozieren. Sie leistet mit ihrer Interpretation, was die Inszenierung schmerzlich vermissen lässt. Jahos zarte Piani werden dem Zuhörer im Gedächtnis bleiben. Neben Jaho steht mit Gianluca Terranova ein glutvoller Pinkerton auf der Bühne. Sein warm timbrierter, gut fokussierter Tenor vermag zu überzeugen. Aufhorchen lässt Chryssanthi Spitadi als Suzuki mit ihrem warmen, charaktervollen Mezzo. Dionysios Sourbis setzt als Sharpless seine eher lyrische Stimme oft zu sehr unter Druck. Vielleicht sollte er eher weniger dramatische Partien singen. Neben den genannten Sängern bietet das restliche Ensemble erfreuliche Leistungen.
Das Publikum im nur zu 30% gefüllten Auditorium – mehr ist derzeit nicht erlaubt – spendet heftigen Beifall und feiert Ermonela Jaho mit verdienten Ovationen.
Ingo Starz (Athen)