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ATHEN/ Greek National Opera: DIE ZAUBERFLÖTE – viel Ritual, zu wenig Gefühl

26.10.2015 | Oper

Greek National Opera, Athen: Die Zauberfĺöte

Wiederaufnahme vom 23. Oktober 2015

 Viel Ritual, zu wenig Gefühl

 Mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ ist es so eine Sache. Man kann die Musik lieben, mit dem Libretto aber hadern. Die Ungereimtheiten des Texts und der Stilmix zwischen Opera Seria und Volkstheater machen es ambitionierten Regisseuren unserer Tage nicht einfach zu einer schlüssigen Deutung zu kommen. Betrachtet man nun die Athener Inszenierung von Arnaud Bernard, die in der Spielzeit 2010/11 herauskam, dann fragt man sich allerdings, ob es die Lösung sein kann, gleich ganz auf eine Interpretation zu verzichten.

 In der Ausstattung von Bruno Schwengl – man fühlt sich bei der Architektur etwas an eine archäologische Schausammlung erinnert – liefert der Regisseur eine Szenenfolge ab, die brav und bisweilen wenig inspiriert die Handlung erzählt. Die Rituale der Gemeinschaft um Sarastro, die zu Beginn des 2. Akts, noch bevor die Musik einsetzt(!), ausführlich zelebriert werden, wirken unfreiwillig komisch, während die Königin der Nacht nach klassischem Muster dem Nachthimmel entsteigen darf. Zu Tamino und Pamina ist Arnaud bedauerlicherweise wenig eingefallen, so dass sich der Tenor ungehemmt in tradierte Posen werfen kann. Glücklicherweise sind da noch Papageno und Papagena, deren volkstümlicher Part einfallsreich auf die Bühne gebracht wird. Die Szene, wo die beiden zueinander finden und vom kommenden Kindersegen singen, ist im Stil der Commedia dell’arte gehalten und die gelungenste der Aufführung. Im Ganzen bekommt man aber nicht mehr als eine mehr oder weniger hübsche Bebilderung zu sehen, an der man sich schnell sattgesehen hat.

 Das Orchester unter der Leitung von George Petrou spielt solide auf. Das Dirigat des aufstrebenden Griechen kann nur teilweise überzeugen. Die Ouvertüre zerfällt unter seiner Hand in einzelne Teile, die eher raschen Tempi führen bisweilen zu Koordinationsproblemen mit der Bühne. Petrous Bemühen um ein transparentes Klangbild ist jedoch zu loben, ebenso sein Sinn für die komödiantischen Momente der Partitur. Weitere Aufführungen könnten die genannten Schwachpunkte abmildern. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt weitgehend tadellos, vertrüge aber an manchen Stellen eine grössere Besetzung.

 Das Solistenensemble hinterlässt einen gemischten Eindruck. Die beste Leistung des Abends zeigt Haris Andrianos als Papageno, der diese Partie seit 1997 immer wieder am Athener Haus gesungen hat. Mit ebenso nuancierter wie kraftvoller Stimme und mit animiertem Spiel verleiht er der Figur die stärkste Bühnenpräsenz. Sein Duett mit Pamina „Bei Männern welche Liebe fühlen“ gerät zum Höhepunkt des Abends. Die Melancholie und Zartheit, die dabei in seinem Gesang mitschwingt, fügt Papageno eine selten zu hörende Facette hinzu. Maria Mitsopoulou als Pamina verfügt über keine besonders charaktervolle Stimme, weiss diese aber gut und nuanciert zu führen. Der Tamino von Antonis Koroneos macht dagegen wenig Eindruck. Sein Gesang bleibt nicht nur in der Bildnisarie zu monoton und undifferenziert. Gestalterisch besser ist Christos Kechris als Monostatos, der bedauerlicherweise vom Regisseur auf eine Karikatur reduziert wird. Vassiliki Karayanni als Königin der Nacht liefert eine gute Rachearie ab, wobei ihre Stimme jedoch in der Mittellage unschön flakert. In der Arie des ersten Akts führt leider das gar schnelle Tempo des Dirigenten zu schlecht plazierten Spitzentönen. Dimitris Kassioumis ist kein schwarzer Bass, weshalb die tiefen Sarastro-Töne recht dünn klingen. Seine Diktion ist hingegen vorbildlich. Unter den übrigen Mitwirkenden fallen die Damen der Königin (Julia Souglacou, Georgia Eliopoulos, Angelica Cathariou) sowie Papagena (Myrsini Margariti) positiv auf. Die drei Knaben werden klangschön von Frauen gesungen (Niki Chaziraki, Miranda Makrynioti, Athina Kastrinaki). Musikalisch weist die Aufführung also Schwächen auf – von den szenischen Defiziten ganz zu schweigen. Nichtsdestotrotz fand Mozarts populäre Oper auch in Athen ein begeistertes Publikum.

 Ingo Starz

 

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