Copyright: Greek National Opera
Greek National Opera, Athen: DIE FLEDERMAUS
Besuchte Vorstellung am 16. Februar 2020
Fledermaus im Kalten Krieg
Mit einer Inszenierung von Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ begann am 5. Maerz 1940 die Geschichte der griechischen Nationaloper. Zu seinem 80. Geburtstag nimmt das Opernhaus eine Produktion des Werks aus dem Jahr 2014 wieder auf. Man hat den gesellschaftskritischen Ton, den das Werk durchaus erkennen laesst, verschiedentlich in zugespitzter Form auf der Buehne gesehen – erinnert sei an Inszenierungen von Herbert Wernicke in Basel, Hans Neuenfels in Salzburg oder Tilman Knabe in Stuttgart. In Athen laesst nun der Regisseur Alexandros Efklidis die Handlung vor dem Hintergrund des Militaerputsches von 1967 spielen.
In der Produktion der griechischen Nationaloper prallen die sich ankuendigende 68er Bewegung und die beginnende Militaerdiktatur aufeinander. Dies sorgt auf der Buehne fuer einige Bewegung mit musizierenden Hippies und Militaer. Zu sehen gibt es in den 60er Jahre-Buehnenbildern von Sotiris Stelios allerhand, was allerdings mit der eigentlichen Handlung meist nicht recht zusammengeht. Dass schon waehrend der Ouvertuere der Vorhang aufgeht und Hippies sowie ein Astronaut und ein Kosmonaut auf der Buehne agieren, sorgt lediglich fuer ein nettes Bild. Notwendig ist das Ganze nicht. Sicher, man kann die Geschichte von Eisenstein und Dr. Falke in eine andere Epoche verlegen, man kann, wie nun in Athen zu sehen, die Handlung in einem Luxusresort, der sowjetischen Botschaft in Athen und in einem Militaergefaengnis spielen lassen. Nur sollte man dann auch erkennen lassen, zu welchem Erkenntnisgewinn dies beitraegt. In Alexandros Efklidis‘ Inszenierung bleibt der Beginn der griechischen Diktatur 1967 im wahrsten Sinn des Wortes Buehnenbild, historische Staffage. Ein tieferer Sinn dieser Zeitverschiebung offenbart sich nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass diese „Fledermaus“ im Kalten Krieg so vollgestopft ist von tradierten Operettenklischees, dass von einer neuen Sicht auf das Werk nicht die Rede sein kann. Da war einfach im Gestischen zu viel des Altbekannten zu sehen. Die Personenfuehrung konzentriert sich vor allem auf Albernheiten. Das Resultat ist eine Auffuehrung, welche ermuedet und oftmals langweilt.
Der junge, in Krefeld engagierte Dirigent Yorgos Ziavras steht am Pult des durchschnittlich aufspielenden Orchesters. Musiker und Dirigent beweisen wenig Sinn fuer die musikalischen Feinheiten, die Details der Partitur. Das atmosphaerisch Wienerische will sich nicht einstellen – was vielleicht auch daran liegt, dass das Werk in griechischer Sprache gegeben wird. Schliesslich hapert es wiederholt bei der Koordination zwischen Graben und Buehne. Ja, Operette kann eine rechte Herausforderung sein. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt ordentlich, die Studentinnen und Studenten der Ballettschule der Nationaloper machen ihre Sache gut. Die Gesangssolisten des Abends bewegen sich auf unterschiedlichem Niveau. Nikos Kotenidis weiss als Eisenstein mit wohltoenendem Bariton zu gefallen. Anna Stylianaki als Rosalinde fehlt es an Stimmfarben, um den Czardas wirkungsvoll zu praesentieren. Christos Kechris hat als Alfred wohl nicht den besten Tag. Seinen Tenor hat man schon stimmschoener erlebt. George Iatrou ist ein markanter Dr. Falke, waehrend es Marios Sarantidis als Frank an Durchschlagskraft mangeln laesst. Der Orlofsky von Taxiarchoula Kanati und die Adele von Marilena Striftobola klingen frisch und praezise. Ferner stehen Dionyssis Meloyannidis als Dr. Blind, Myrto Bocolini als Ida und – etwas unterbelichtet – Dimitris Nalbandis als Frosch auf den Brettern der Nationaloper.
Applaus und Anteilnahme des Publikum halten sich in Grenzen. Eine Geburtstagsparty klingt anders.
Ingo Starz (Athen)