Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Epidaurus Festival/Peiraios: IOANNIS MANADAFOUNIS: A LA CARTE. Publikumsumarmung

07.06.2024 | Ballett/Performance

Athens Epidaurus Festival/Peiraios 260

Ioannis Mandafounis: À la carte

Besuchte Vorstellung am 6. Juni 2024

Publikumsumarmung

athen
Copyright: Epidaurus Festival

Ioannis Mandafounis ist gebürtiger Athener. In jungen Jahren erlernte er das klassische Tanzhandwerk in Athen und Paris. Nach einigen Stationen als Tänzer, unter anderem bei William Forsythe in Frankfurt, gründete er seine eigene Tanztruppe in der Schweiz. Mit seinen konzeptuellen, hintersinnigen und lustvollen Arbeiten hat er sich einen Namen in der internationalen Tanzszene gemacht. Im letzten Jahr übernahm er die Dresden Frankfurt Dance Company. Dort begann er mit einer Choreografie, die ganz direkt das Publikum adressiert: „À la carte“. Das Athens Epidaurus Festival hat prompt auf Mandafounis‘ vielversprechenden Karriereschritt reagiert und die genannte Arbeit nach Athen eingeladen.

„À la carte“ ist ein Werk, in dem das Publikum den Beginn einer neuen Ära erlebt und miterlebt, Mandafounis und seine Tänzerinnen und Tänzer kennenlernt. Es ist aber auch ein Stück, in welchem das Ensemble das Publikum kennenlernen möchte, es gleichsam umgarnt, anspielt, ja buchstäblich umarmt. Gleich zu Beginn stürmt die Truppe erst an die Rampe und dann in den Zuschauerraum hinein. Ein heftiger Flirt mit dem Publikum kommt in Gang, die Tanzenden teilen uns ganz wörtlich ihre Liebe mit. Diese Eingangssituation hat Charme und Drive. Und sie macht Sinn, geht es doch tatsächlich um einen gegenseitiges Kennenlernen, um ein „first date“, wie man den Zuschauern sagt. Hier offenbart sich das Konzept des Choreografen. Er möchte vom Kennenlernen, der ersten Begegnung, der Situation des Miteinanderseins erzählen. Und das Publikum soll integraler Bestandteil dieses kreativen Prozesses sein.

Auf den stürmischen Eingangsteil folgt eine Abfolge tänzerischer Szenen. Ein Violinist spielt barocke Musik und das Ensemble tanzt dazu in unterschiedlichen Konstellationen. Das Thema des Abends, das Erfahren einer ersten Begegnung wird in virtuosen Duo- und Gruppenarrangements aus verschiedenen Blickwinkeln vorgeführt. Mandafounis spielt dabei sehr gekonnt mit der klassischen Tanzsprache, bricht diese, lässt diese mehr Improvisation denn Einstudierung scheinen. Seine so entwickelte, ausformulierte Bewegungssprache zeigt dahinstürmende Anmut und Fragilität, Kraft und Tollpatschigkeit. In diesen Szenen ist der Choreograf ganz bei sich und beweist, dass aus dem klassischen Repertoire entwickelte Tanzfiguren ungemein viel Gegenwart vermitteln und neue Inhalte erzählen können. 

Auf den mitreissenden Tanz folgt dann viel Reden oder besser Gerede, was den eben erst gewonnenen Enthusiasmus des Zuschauers leider auszubremsen vermag. Es geht erst darum, was man beim trauten Zusammensein isst, wozu das Publikum befragt wird. Ein italienischer Tänzer erklärt dann das Lasagnerezept seiner Grossmutter. Ein anderer Tänzer moderiert diesen kulinarischen Teil. Dann wird die Geschichte zweier durch eine Wüste wandernder Frauen erzählt und getanzt. Am Schluss posieren die Tänzerinnen und Tänzer einer Rockband gleich für ein Gruppenfoto – und das Publikum darf die Handys zücken. Auch wenn sich diese gesprochenen oder gespielten Szenen irgendwie in das Konzept des Abends einfügen, gewinnen sie doch wenig theatrale Kraft. Und warum, so fragt man sich am Ende, haben uns die Akteure nicht von ihren Erwartungen an das Publikum erzählt, davon was es bedeutet, um dessen Gunst zu buhlen. Wenngleich der Abend etwas unbefriedigend endet, präsentiert er dem Athener Publikum doch einen spannenden Choreografen und ein tolles Tanzensemble.

Am Schluss gibt es lang anhaltenden Beifall und einige Bravorufe für die Dresden Frankfurt Dance Company.

 

Ingo Starz (Athen)

 

Diese Seite drucken