Athens Epidaurus Festival, Odeion des Herodes Attikus
Griechische Nationaloper: Rigoletto (Besuchte Vorstellung am 5. Juni 2022
Zwischen Maskerade und Parodie
Copyright: Valeria Isaeva.
Nach zwei Jahren, in denen das Odeion des Herodes Attikus pandemiebedingt nicht voll besetzt werden konnte und grosse Opernproduktionen abgesagt wurden, kehrt die Griechische Nationaloper nun mit einer Neuinszenierung von Rigoletto an ihre Sommerspielstätte zurück. Die ursprünglich für die Festivalausgabe 2020 vorgesehene Verdi-Produktion hat Katerina Evangelatos, die künstlerische Leiterin des Athens Epidaurus Festival, in Szene gesetzt. Man sah dieser Arbeit mit grossen Erwartungen entgegen. Der Mehrheit des Publikums im ausverkauften Odeion hat es offensichtlich auch sehr gut gefallen.
Copyright: Valeria Isaeva
Einen sehr guten Eindruck hinterliessen freilich nur die Sänger. Dimitris Tiliakos zeigt überzeugend den zwiespältigen und gebrochenen Charakter der Hauptfigur und er tut dies stimmlich wie darstellerisch. Sein Auftreten stellt tatsächlich einen grossen Unterschied zu demjenigen von Dimitri Platanias dar, der die Rolle zuvor hier sang (aber nie wirklich spielte). Tiliakos zeichnete mit eher schlanker Stimme ein differenziertes Porträt Rigolettos, die Szenen mit Gilda gerieten dabei zu Höhepunkten des Abends. Christina Poulitsi konnte mit sicheren Spitzentönen für sich einnehmen, liess aber gestalterisch Wünsche offen. Ihre Mittellage klang wenig interessant. Eindrucksvoll wusste sich Francesco Demuro in Szene zu setzen. Höhensicher und mit Schmelz präsentierte er den Duca, eine Rolle die er schon desöfteren gesungen hat. Bei alledem war er auch ein feinsinniger Gestalter. In weiteren Rollen erwiesen sich insbesondere Petros Magoulas als Sparafucile, Mary-Ellen Nesi als Maddalena und Dimitris Kassioumis als Monterone den Anforderungen bestens genügend.
Auf der Habenseite des Abends waren auch Chor und Extrachor, die Agathangelos Georgakatos gut für die Aufgabe vorbereitet hatte. Das Orchester der Nationaloper spielte ganz gut, der Dirigent Lukas Karytinos vermochte es allerdings nicht, dem Spiel eine Richtung zu geben. Was man aus dem Graben hörte, plätscherte so vor sich hin und geriet bisweilen schleppend. Auch um die Koordination zwischen Graben und Bühne war es nicht zum Besten bestellt. Die Griechische Nationaloper sollte mehr über die Wahl ihrer Dirigenten nachdenken.
Katerina Evangelatos gibt im Programm über ihren Zugang zu Verdis Oper Auskunft. Sie weist darauf hin, dass ihre Inszenierung das Geschehen im italienischen Mafiamilieu ansiedelt und Rigoletto dabei als Barkeeper der Ganoven fungiert. Das ist kein schlechter Gedanke. Und man konnte dieses Setting auch auf der Bühne wiedererkennen. Warum aber musste das Ganze wie eine Parodie daherkommen? Die Kostüme von Alan Hranitelj trugen mit ihren kitschigen Farben nicht zu einer glaubhaften Darstellung von Verbrechen und Gewalt im Italien der 1980er Jahre bei. Die Personenführung setzte zu wenig Akzente, der Chor wurde mit allzu grossen, bisweilen beliebig anmutenden Gesten versehen. Sicher kann man Monterones Fluch bildhaften Ausdruck geben – wie es hier durch die Verwendung grosser Kopfmasken geschah. Nur wie geht das mit dem Mafiamilieu zusammen? Das Bühnengeschehen schwankte so zwischen Maskerade und Parodie ohne wirklich auf den Punkt zu kommen. Die Macht- und Gewaltstruktur, welche Rigoletto innewohnt, kam trotz interessanter Äusserungen im Programmheft auf der Bühne viel zu unscharf zur Darstellung. Das Bühnenbild der vielbeschäftigten Eva Manidaki lehnte sich an die antike Architektur an, ohne einen starken Akzent zu setzen. Und von der Choreografie Patricia Aspergis schweigt man besser. Jede Revue bietet besseren Tanz.
m Schluss gab es viel Beifall und Begeisterung im Halbrund des Odeions.
Ingo Starz (Athen)