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ATHEN/ Epidaurus Festival / Griechische Nationaloper im Odeion des Herodes Attikus: TOSCA zur Festivaleröffnung

02.06.2024 | Oper international

Athens Epidaurus Festival / Griechische Nationaloper im Odeion des Herodes Attikus 

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Foto: Griechische Nationaloper

Giacomo Puccini: Tosca

Festivaleröffnung am 1. Juni 2024

Museal und massentauglich

Eigentlich wollte die Griechische Nationaloper zur diesjährigen Eröffnung des Athens Epidaurus Festival Giacomo Puccinis „Turandot“ als Neuinszenierung auf die Bühne bringen. Da sich diese Produktion als sehr zeit- und kostenintensiv erwies, musste sie auf das nächste Jahr verschoben werden. Stattdessen wurde eine vor etlichen Jahren herausgebrachte „Tosca“ auf die grosse Bühne des Odeion des Herodes Attikus gestemmt. Massentauglich ist diese Inszenierung in der Tat, wie man an den Publikumsreaktionen sehen konnte. Die vier angesetzten Aufführungen waren im voraus ausverkauft, eine zusätzliche fünfte ging letzte Woche in den Vorverkauf. Der Touristenboom macht sich auch in der Kultur bemerkbar.

Hugo de Anas Inszenierung und Ausstattung beliessen die Handlung in der im Libretto angegebenen Zeit und bemühten sich um eine gute Ausnutzung der breiten Bühne. Das führte leider, wie schon in einer früheren Rezension beschrieben, zu einer effekthascherischen Ausbreitung von Requisiten im weiten Raum. Im Zentrum stand dabei ein Kruzifix resp. das skulpturale Bild des Gekreuzigten. Zusätzlich kamen Projektionen zum Einsatz, die das Gemäuer des Odeions im ersten Akt zum Kirchenraum transformierten. Letzteres schaute auch gar nicht so schlecht aus. Die szenische Handlung ging in diesem Sammelsurium aber mehr als einmal verloren. Dies geschah auch, weil es keine überzeugende Personenführung gab. Altbekannte Operngesten und Rampensingen fanden sich desöfteren an diesem Abend auf der Bühne. Gerade der zweite Akt hätte entschieden mehr Intimität benötigt, die sich unter diesen Umständen nicht einstellen wollte. Puccinis „Tosca“ lässt sich als Thriller auf die Bühne bringen. Davon war diese Aufführung leider meilenweit entfernt. 

Der Dirigent Lukas Karytinos kostete die klanglichen Facetten der Musik, wenn man es so sagen darf, allzu sehr aus. Dadurch vernachlässigte er bedauerlicherweise den Spannungsaufbau, die Dramaturgie des Werks. Details blieben unterbelichtet, die Tempi gerieten wiederholt ziemlich träge. Das Orchester der Nationaloper machte dabei seine Sache gut, bot erfreuliche Leistungen. Auch an den Chören gab es nicht viel zu mäkeln und die kleineren Partien waren durchwegs treffend besetzt. Da die Produktion aus den anfangs genannten Gründen recht kurzfristig ins Programm kam, durfte man auf die Sänger der Hauptpartien gespannt sein.

Als Scarpia stand der in Athen wohlbekannte Tassis Christoyannis auf der Bühne. Sein Gestaltungsvermögen wusste man zu schätzen, allerdings ermangelte es seinem Singen an dramatischem Gestus. Seiner Stimme fehlt der dunkle Kern, welcher Scarpia die nötige Dämonie verleiht. Riccardo Massi bot die geforderten Töne und zeigte eine gut geführte Stimme. Seinem Singen fehlte es aber an Entfaltung und Schmelz. Und sein Spiel liess es leider an Leidenschaft vermissen. Einen Cavaradossi stellt man sich doch etwas anders vor. Die Russin Evgenia Muraveva bot in der Titelrolle fraglos die beste Leistung. Ihr Sopran ist gut geführt und hat die erforderlichen dramatischen Qualitäten. Es fehlt Muraveva allerdings (noch) an gestalterischen Details und zu Beginn ihrer Arie im zweiten Akt hätte man sich mehr Piano gewünscht. Sängerisch befand sich die Aufführung auf durchaus hohem Niveau, ohne allerdings mitreissende Leistungen zu bieten. 

Am Schluss gab es reichlich Applaus und etliche Bravorufe im vollbesetzten Halbrund des Odeions.

Ingo Starz (Athen)

 

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