Athens & Epidauros Festival
Third World Bunfight: Macbeth (Besuchte Vorstellung am 22. Juli)
Macbeth in Afrika
Owen Metsileng, Nobulumko Mngxekeza. Copyright: Athens & Epidauros Festival
Das Onassis Cultural Centre hatte erst jüngst das performative Ausstellungsprojekt „Exhibit B“ von Brett Bailey nach Athen geholt. Diese eindringliche und dramturgisch klug gebaute Performance setzte sich mit der kolonialen Vergangenheit Europas auseinander und verknüpfte diese mit den (heutigen) Geschichten der beteiligten Darsteller. Heraus kam eine postkoloniale, aufklärerische Anti-Völkerschau. Nun bringt das Athens Festival Bailey’s „Macbeth“ auf die Bühne der Alexandra Trianti Hall des Megaro Mousikis. Der südafrikanische Regisseur transformiert die italienische Oper zu einem erstaunlichen Stück Gegenwartstheater.
Fabrizio Cassol hat Verdis „Macbeth“ geschickt auf 100 Minuten zusammengestrichen, das Orchester auf eine bescheidene Kammerbesetzung reduziert und afrikanische Klangwelten integriert. Das klingt stellenweise richtig gut, etwa im Finale des 2. Akts, wo Italianità und afrikanische Rhythmik sehr gelungen zusammenfinden. Das No Borders Orchester, dessen Mitglieder aus den postjugoslawischen Staaten stammen, leistet unter der Leitung von Premil Petrovic sehr gute Arbeit. Das Orchester ist wie die Sänger auf der Bühne platziert, was sicherlich zum homogenen Gesamteindruck beiträgt. Allerdings hätte man sich einen anderen Spielort gewünscht, der – anders als die einem Opernhaus ähnliche Alexandra Trianta Hall – das Publikum näher ans Geschehen gerückt hätte.
Brett Bailey entwirft zusammen mit dem Lichtdesigner Felice Ross und der Choreografin Natalie Fisher ein Musiktheater, das in der Art und Ästhetik eines Comics Aufstieg und Fall eines Diktators in der Republik Kongo erzählt. Da dieses Land seit Jahrzehnten von Unruhen geprägt ist und dank seines Reichtums an Bodenschätzen in der Einflusszone diverser multinationaler Unternehmen liegt, stellt es ein gutes Beispiel dar, um die Komplexität und Brutalität der postkolonialen Zeit vor Augen zu führen. So wird z.B. der Gesang der Hexen von einem stummen Spiel begleitet, das, wie die Kleidung der Akteure kenntlich macht, auf die wirtschaftlichen Interessen des Kolonialismus verweist. Überhaupt sind Krieg und Gewalt omnipräsent in dieser Inszenierung, der Wahnsinn, dem das Diktatorenpaar anheimfällt, wird folgerichtig durch projizierte Bilder von Kriegsopfern unserer Tage veranschaulicht. Die visuelle Seite der Aufführung kommt überzeugend und in ihrem temporeichen „Schnitt“ wie ein Film daher.
Nobulumko Mngxekeza. Copyright: Athens & Epidauros Festival
Musikalisch lässt dieser „Macbeth“ tatsächlich aufhorchen. Es ist bemerkenswert, welche klangliche Präsenz und Intensität der klein besetzte Chor erreicht. Allein dessen Pianoqualitäten sind unbedingt zu loben. Die drei Hauptdarsteller leisten Grossartiges. Owen Metsileng als Macbeth verfügt über einen sonoren, geschmeidigen Bariton, welcher der Figur grosse Glaubwürdigkeit verleiht. Auch Otto Maidi als Banquo singt seine Rolle ausgesprochen schön und ist dabei ein sehr guter Darsteller. Im Zentrum des Geschehens steht aber Nobulumko Mngxekeza als Lady Macbeth. Ihre Stimme hat dramatische Kraft, eine satte Tiefe und auftrumpfende Spitzentöne, die niemals scharf klingen. Allen Verzierungen des Gesangs mag sie nicht gerecht werden, ihre unwerfende Bühnenpräsenz macht dies aber wett. Das Publikum folgt Brett Baileys packender Version von Verdis Meisterwerk mit Interesse und bejubelt am Schluss die Sänger.
Ingo Starz