Athens Epidaurus Festival, Theater Petras
PHAEDRA ON FIRE von Amanda Michalopoulous
Besuchte Vorstellung am 27. September 2021
Eine Familienangelegenheit
Copyright: Thomas Daskalis
Das Athens Epidaurus Festival hat seit seinen Anfängen einen Schwerpunkt auf der Pflege des antiken Dramenerbes. In diesem Sommer unternahm man den Versuch, antike Mythen und Gegenwartstheater miteinander zu verbinden. Unter dem Titel „Contemporary Ancients“ wurden im Kleinen Theater des antiken Epidauros vier Auftragswerke gezeigt. Renommierte griechische Autoren hatte Stücke geschrieben, welche mythische Strukturen in Gegenwartsthemen verwandelten. Erfahrene Regisseure brachten diese auf die Bühne. Nun waren diese Uraufführungen auch in Athen zu erleben. Der letzte Abend präsentierte Amanda Michalopoulous Stück „Phaedra on Fire“ im Openair-Theater Petras in Petroupoli.
Im Mythos ist Phädra die zweite Gattin von Theseus und wird von Aphrodite dazu gebracht, sich in ihren Stiefsohn Hippolytos zu verlieben. Dieser weist sie jedoch zurück und sie begeht Selbstmord, aber nicht ohne vorher eine falsche Beschuldigung zu notieren. Theseus verflucht seinen Sohn, dieser flieht und kommt schliesslich durch ein Meeresungeheuer um. Es ist die übliche antike Familientragödie. Amanda Michalopoulou hat aus der Göttin eine enge Freundin gemacht, die Handlung in griechisches Mittelklassemilieu versetzt und auf blutige Konflikte verzichtet. Diese Verkleinerung der Perspektive bekommt dem Ganzen leider nicht so recht. Ein ums andere Mal rutscht das Geschehen in kleinliche Familientändeleien ab. Phädra und Hippolytos gewinnen in diesem Kontext als Figuren kaum Substanz.
Copyright: Thomas Daskalis
In der Regie von Yannis Kalavrianos erscheint das Stück über weite Strecken eher als Komödie oder Musical und die sprachlosen, nur von Musik untermalten Passagen entgehen dem Kitschverdacht kaum. Generell wird eher mit dem dicken Pinsel aufgetragen, zwischen den Figuren passiert wenig. Aus der antiken Tragödie wird, wenn man so sagen darf, eine TV-Seifenoper. Besonders interessant ist das leider nicht. Anna Mascha als Phädra, Nikos Lekakis als Hippolytos, Maria Koskina als Lioni, Maria Moschouri als Aphrodite und Eirini Ioannou-Papaneofytou als Artemis bieten dazu leider recht plakative Figurenzeichnungen. Da hat man in griechischen Filmen des vergangenen Jahrzehnts spannendere Familienangelegenheiten zu sehen bekommen.
Am Schluss gibt es herzlichen Applaus für alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)