Copyright: Michalis Kloukinas
Athens Epidaurus Festival, Peiraios 260: THE SOCCER OPERA von Eleftherios Veniadis
Besuchte Vorstellung am 6. Juli 2021
Der Fussballplatz ist fraglos ein Ort grosser Gefühle. Spontan und inszeniert zeigen die Spieler leidenschaftliche Aktionen und Gefühle. Die Interaktion mit dem Publikum ist von erheblicher Bedeutung und Sieg oder Niederlage sind Auslöser regelrechter Dramen auf dem grünen Rasen und den Zuschauertribünen. Das Fussballspiel gleicht einem heroischen Stück in zwei Teilen, sekundiert von Schlachtrufen und Gesängen der Fans. Die emotionale Achternbahnfahrt, welche der Zuschauer durchlebt, sowie die medial hochgezoomten Szenen sportlicher Heldentaten oder tragisch anmutender Fehlaktionen bieten oft genug grosses Kino oder, wenn man so will, grosse Oper. Da überrascht es nicht, dass Fussball auch auf der Opernbühne stattfindet. Um nur ein Beispiel zu nennen, Benedict Masons Oper „Playing away“ wurde 2007 erfolgreich und schwungvoll auf der Werkstattbühne der Bregenzer Festspiele zur Aufführung gebracht. Das Athens Epidaurus Festival bringt nun „The Soccer Opera“, ein neues Werk des Komponisten Eleftherios Veniadis an der Peiraios 260 heraus.
Copyright: Michalis Kloukinas
Der Komponist Eleftherios Veniadis und die Librettistin Gerhild Steinbuch breiten ein Fussballspiel vor dem Publikum aus, das immer wieder einzelne Charaktere hervortreten lässt – sei es wegen deren spielerischer Aktionen oder deren persönlicher Geschichte. Daneben klingen viele Themen an, welche den Fussball bestimmen, und Kapitalismuskritik darf dabei natürlich auch nicht fehlen. Insgesamt wirkt das Textgefüge etwas zu pädagogisch in seiner Aussage. Berührend ist es, wenn die Mezzosopranistin Irini Tzanetoulakou davon erzählt, wie ihr Vater, der ein bekannter griechischer Fussballspieler und Trainer war, ihre Begeisterung für den Sport entfachte. Auch im Falle von Veniadis, der als Stadionsprecher auf der Bühne agiert, spielen persönliche Erinnerungen eine Rolle. Da Fussball wesentlich von der Teilhabe des Publikums lebt, kommt dem ‚Publikum‘ auf der Bühne, sprich dem Chor, erhebliche Bedeutung zu.
Damit wären wir nun bei der Musik. Eleftherios Veniadis setzt Blechbläser und Schlagwerk ein, die deutliche rhythmische Akzente setzen. In Chor- und Soloszenen kommen ferner melodische Momente zum Einsatz, die tonal und eher traditionell daherkommen. Die Musik gewinnt selten originäre Kraft. Da viele Binnenerzählungen den dargestellten Spielverlauf unterbrechen, geht der Drive des Abends mehr als einmal verloren. Dies wird jedoch in der zweiten Halbzeit besser. Kennzeichnende Momente eines Fussballspiels – von Abseits bis Elfmeter – treten aber deutlich und in durchaus gelungener musikalischer Figurenzeichnung hervor.
Der Einsatz aller Beteiligten lässt kaum Wünsche offen. Die Regisseurin Sofia Simitzis bringt grosse Spielfreude auf die Bühne, sie arrangiert geschickt die Szenen des Spiels in Verbindung zu den Publikumsreaktionen. Die Ausstattung von Thomas Goerge spielt lustvoll mit allem, was zu Fussball gehört. Das Ventus Ensemble und der Sonoare Jugendchor verdienen grosses Lob für ihre tadellose Leistung. Die Dirigentin Faidra Giannelou hält die Fäden des musikalischen Geschehens souverän zusammen. Die jugendliche Kraft des Chors (Einstudierung: Katerina Tsitsa), das muss man sagen, trägt den Abend ganz wesentlich. Das engagierte Solistenensemble aus Sängern, Tänzer und Schauspieler leistet aber auch Beachtliches: Angeliki Zoe Karagkouni, Dionysis Melogiannidis (schöne Tenorstimme!), Dionysis Tsantinis, Irini Tzanetoulakou, Konstantinos Papanikolaou und Mikes Glykas.
Die Koproduktion mit dem Chios Music Festival ist eine gelungene Sache, gerade und besonders weil es der Oper gelingt, ein breites Publikum anzusprechen.
Ingo Starz/ Athen
Am Ende gab es begeisterten Beifall für alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)