Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Athens Epidaurus Festival / Peiraios 260: Jan Martens & Dance On Ensemble: any attempt will end in crushed bodies and shattered bones 

16.07.2023 | Ballett/Tanz

Athens Epidaurus Festival / Peiraios 260

Jan Martens & Dance On Ensemble: any attempt will end in crushed bodies and shattered bones 

Besuchte Vorstellung am 15. Juli 2023

Manifest der Vielen

dep
Copyright: Phile Deprez

Jan Martens ist ein Choreograf, der sich immer wieder gesellschaftlichen Problemen und Fragen stellt. So auch in seiner Arbeit „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones“, deren Titel eine Phrase aus einer Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping aufgreift. Dieser hatte sich in Zusammenhang mit den Protesten in Hong Kong geäussert. Um Proteste geht es denn auch in Martens‘ Performance und um deren erinnerte Körperbilder – von den 1960er Jahren bis heute. Der Abend handelt vom zeichenhaften Charakter gesellschaftlichen Aufbegehrens, von Demonstrationen für Freiheit und Vielfalt. Ebenso wird aber auch die andere Seite der Gesellschaft gezeigt, diejenige, welche sich in Hassreden gegen Andersdenken und Diversität Luft schafft. Man könnte sagen, dass in diesem Tanzstück zwei Welten aufeinanderprallen oder zwei gegenläufige gesellschaftliche Bewegungen: die eine tritt für eine Gesellschaft der Vielen ein, während die andere Nationalismus und Rassismus predigt. Jan Martens‘ Arbeit gleicht darum auch etwas einem Manifest. 

Der Choreograf zeigt die gegenläufigen gesellschaftlichen Bewegungen nicht parallel auf der Bühne, sondern lässt sie einander abwechseln. Es beginnt mit den Vielen, individuell geformten Charakteren, die sich nach und nach zu einer bunten Gruppe zusammenfinden. Keiner und keine gleicht in Bewegungen und Habitus den anderen. Martens setzt eine spielfreudige Vielfalt in Szene, die innerhalb eines Gefüges, welches auch durch Bodenmarkierungen zum Ausdruck kommt, agiert. Der gesellschaftliche Raum ist einer, der individuelle Bewegungsfreiheit garantiert. Dem gegenüber steht ein Raum, der sich durch gemeinschaftliches Umherschreiten, das auch ein Marschieren sein kann, und wechselnde Gruppenbildungen und Allianzen auszeichnet. Kurze Phrasen aus Hassreden, eingeblendet auf der Rückwand, bringen die wie anonym auftretenden Körper gleichsam zum Sprechen. Szenen individueller Vielfalt werden dagegen von der eingespielten Musik zur Form zusammengebunden: Henryk Górecki’s Cembalokonzert liefert den passenden seriellen und aufrüttelnden Klang dazu. Andere Musikstücke und Ausschnitte aus dem Roman „Frühling“ von Ali Smith vervollständigen das Bühnenwerk. 

Jan Martens bringt ein Ensemble auf die Bühne, das sich durch Vielfalt in Herkunft und Persönlichkeit auszeichnet. Alle Tänzerinnen und Tänzer fügen sich bestens und mit grosser technischer Finesse in das anspruchsvolle Konzept ein. Man erlebt Diversität in siebzehn unterschiedlichen Facetten, aber auch Uniformität im Gleichschritt. Das Tanzstück „any attempt will end in crushed bodies and shattered bones“ erweist sich als das, was Tanz ja schon lange auszeichnet, als eine transnationale Angelegenheit. Jan Martens gelingt ein kraftvolles und überzeugendes Manifest der Vielen, ein Plädoyer für Diversität und Inklusion.

Martens‘ Arbeit findet viel Zustimmung beim Athener Publikum und wird mit anhaltendem Beifall und Bravorufen bedacht. 

Ingo Starz (Athen)

 

Diese Seite drucken