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ATHEN/ Athens Epidaurus Festival, Peiraios 260: DIE SCHULE DER FRAUEN

19.07.2021 | Theater

Athens Epidaurus Festival, Peiraios 260

Die Schule der Frauen 

Besuchte Vorstellung am 18. Juli 2021

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Copyright: Michalis Kloukinas

Es mag noch heute Männer geben, die davon träumen, eine Frau zu ehelichen, welche ganz nach ihren Vorstellungen zur Gefügsamkeit erzogen wurde. Molière führt uns in seiner Komödie „Die Schule der Frauen“ den Junggesellen Arnolphe vor, der ein Bauernmädchen adoptierte und in klösterlicher Abgeschiedenheit aufziehen liess. Der allseits bekannte Spötter, der sich nur zu gerne über betrogene Ehemänner lustig macht, wähnt sich so auf der sicheren Seite. Doch wie das Leben so spielt, auf die junge Frau wird ein junger Mann – Horace, der Sohn von Arnolphes Freund Oronte – aufmerksam. Obschon der Jüngling seine Liebe zufällig dem Widersacher offenbart und dieser sogleich Vorsichtsmassnahmen trifft, gelingt es den jungen Liebenden schlussendlich zueinander zu finden. Arnolphe bleibt nur der Trost, dass der Ledige am besten gegen Ehebruch geschützt ist. Molières Stück hat fraglos auch dem heutigen Publikum noch etwas zu sagen. Welchen Zugang zur „Schule der Frauen“ bietet der Regisseur Ektoras Lygizos im Zeitalter von Feminismus, Genderdebatten und #MeToo? Wohin treibt das Geschehen dieser Farce, und wer zieht welche Lehren daraus?

Ektoras Lygizos ist nicht nur der Regisseur der Aufführung, sondern auch der Hauptdarsteller und Dirigent des Geschehens. Molières Komödie ist in seiner Inszenierung als musikalisches Sprachkunstwerk angelegt, die Verse finden ein Echo in der von The Boy verantworteten Musik. Und das Bühnensetting von Cleo Boboti spiegelt diese Klangwelt mit über der weiten Bühne verstreuten Instrumenten wider. Zentraler, skulptural anmutender Aufbau ist eine umgestürzte Kirchturmspitze oder ein eigenwillig gestaltetes Sprachrohr – genau lässt sich das nicht sagen. Dieser Raum beherbergt jedenfalls die Ziehtochter Agnès und lässt dabei an Klosterabgeschiedenheit und eingetrichterte Regeln denken. Zwei kleine Sprachrohre kommen passenderweise zum Einsatz,  wenn Arnolphe die junge Frau unterstützt vom Dienerpaar über eheliche Pflichten belehrt. Das musikalische Regelwerk des Abends läuft bisweilen Gefahr monoton zu werden, zumal es nur ansatzweise freie Improvisation oder Interventionen gibt. Es wäre der Aufführung gut bekommen, wenn sie musikalisch und szenisch mehr aus dem Ruder gelaufen wäre. Der Regisseur als Dirigent hat es gleichwohl vermocht, Molières Stück mit einigen interessanten Facetten zu versehen und die Geschlechterrollen pointiert auf die Bühne zu bringen – ja diese auch durch Gegenbesetzungen zu unterlaufen.

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Copyright: Michalis Kloukinas

Das Ensemble bietet gute Leistungen und ist darstellerisch wie musikalisch im Einsatz: Aris Balis, Evangelia Karakatsani, Yannis Klinis, Sofia Kokkali, Ektoras Lygizos, The Boy, Eva Vlassopoulos und Konstantinos Zografos. Obschon der Klang sein Schräges hat, mehr Dissonanz und Extravaganz hätte den Blick auf die Aktualität des Stoffs geschärft. Angesichts eines zunehmenden Konservatismus in Griechenland, wo die Trinität von Nation, Kirche und Familie noch immer viel gilt, hätte die Aufführung auch ein gewisses politisches Bekenntnis abgeben können. Dies geschah nicht oder war vielleicht gar zu gut unter den Notenblättern versteckt. In der dargebotenen Form kommt Molière doch etwas zu brav und versöhnlich daher. 

Das Publikum amüsierte sich hörbar und spendete am Schluss anhaltenden Beifall.

Ingo Starz (Athen)

 

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