Athens Epidaurus Festival / Peiraios 260
Christos Thanos: War Correspondents – Premiere am 5. Juli 2025
Harmlose Kriegsballade
Dem Titel folgend hatte man sich darauf eingestellt, Kriegsreporter im Einsatz zu sehen, ihre Geschichten zu hören. Was man dann auf der kleinsten Bühne des Athens Epidaurus Festival zu sehen bekommt, sind jedoch Kriegszeugen und – kommentatoren. Das freilich könnte genauso zu einem interessanten Theatererlebnis führen. Angesichts der andauernden Kriege in der Ukraine und in Gaza ist der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung mit dem Krieg, seinen Ursachen und Folgen sicher nicht schlecht. Mit den Folgen wird man denn auch gleich beim Eintreten in den Zuschauerraum konfrontiert: Die von Maria Karathanou gestaltete Bühne präsentiert sich als Trümmerlandschaft aus einer Art Grundmauerwerk und Holzgestängen. Darin tummelt sich schon vor Aufführungsbeginn das siebenköpfige Ensemble. Wie berichtet „War Correspondents“ nun vom Krieg?
Die Theaterproduktion schlägt einen grossen, fast episch zu nennenden Bogen, der tatsächlich mit der auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Schöpfung der Erde einsetzt. Bevor im weiteren von den Menschen und ihren Kriegen die Rede ist, geht es zunächst um zwei Gorillas, die an einer Wasserstelle in Konflikt geraten. Ein Urbild für gewaltsame Auseinandersetzung sozusagen – zumindest ist man geneigt, es so zu verstehen. Das Thema Krieg wird im folgenden mehr umkreist als im Detail berichtet. Es geht eigentlich mehr um unseren Blick darauf und etwa darum, wie gefallene Soldaten heroisiert werden. Eine Szene behandelt beispielsweise die Schaffung einer Statue vorgeführt am menschlichen Körper. Die Berichterstattung vom Krieg und dessen Folgen wird nurmehr gestreift, in einer längeren Szene sieht man etwa das Ensemble in unterschiedlichen Handlungsakten, ein Grab errichtend oder in Zuckungen am Boden liegend. Es ist klar, dass von Schrecklichem die Rede ist, so recht zu fassen bekommt der Zuschauer den Krieg und dessen Traumata aber nicht in dieser Performance. Es sind zu viele symbolhafte Handlungen und Textbausteine zusammengebracht und das scheinbare oder offensichtliche Happy End mit Gesang bringt auch keine erlösende Erkenntnis.
Der Regisseur Christos Thanos und die Schauspielerin Iro Bezou zeichnen sich für die Dramaturgie verantwortlich. Sie haben sich leider für eine allzu konstruiert daherkommende Komposition entschieden, die einerseits belehrend und andererseits unterhaltend sein will. Thanos, Komponist des musikalischen Parts, ist einer der drei Musiker – Stefanos Douvitsas und Panos Ghikas sind die beiden anderen -, die an diesem Abend live auf der Bühne sind. Zur dramaturgischen tritt eine musikalische Komposition, die dem Abend etwas (beinahe verstörend) Musicalhaftes verleiht. Das ist nicht unbedingt ein Vorteil, zumal das Spiel in eher tradioneller Manier kaum Überraschendes, kaum starke Bilder bietet. Neben Iro Bezou agieren Maria Chanou, Apostolis Psychramis, Fivos Rimenas, Sophie Lies, Pinelopi Skalkotou und Fotis Stratigos auf der Bühne. An zentraler Stelle zitiert die Aufführung Erich Fromm, der einmal schrieb, dass die Kraft der Imagination den Menschen vom Tier unterscheide, diese aber auch dazu führe, dass sich der Mensch Gefahren einbilde und für Einflüsterungen anfällig sei. Wenn man sich Putins Gebaren vor Augen führt, hätten sich Fromms Gedanken fraglos zu einer spannenden Lehrstunde über den Krieg und dessen Kontext formen lassen können. Die Athener „War Correspondents“ sind im Ergebnis leider nur eine harmlose Kriegsballade.
Am Ende der Premiere gibt es starken Beifall und ein paar Bravorufe.
Ingo Starz (Athen)