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ATHEN/ Athens Epidaurus Festival, Odeion des Herodes Attikus: SPÜRHUNDE ( nach Sophokles) 

17.09.2021 | Theater

Athens Epidaurus Festival, Odeion des Herodes Attikus

SPÜRHUNDE (nach Sophokles)

Besuchte Vorstellung am 16. September 2021

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Trackers@Patroklos. Skafidas

Die zweite Produktion, welche das Athens Epidaurus Festival von Epidaurus nach Athen brachte, war das Satyrspiel „Spürhunde“ von Sophokles. Das fragmentarisch überlieferte Werk wurde in einer Textbearbeitung präsentiert, die sich an die deutsche Übersetzung und Rekonstruktion von Carl Robert anlehnt. Der renommierte Regisseur Michail Marmarinos setzte das Satyrspiel in Szene, ihm zur Seite standen Giorgos Sapountzis (Ausstattung), Billy Bultheel (Musik), Eleftheria Deko (Lichtdesign) und Tasos Karachalios (Movement). Dem Team gelang es eindrücklich, das Geschehen über den gesamten Theaterraum hin auszubreiten. So waren etwa vier Blechbläser auf halber Höhe des Zuschauerhalbrunds platziert und Hermes war die meiste Zeit auf einer der obersten Stufen positioniert. Diese Erweiterung des Bühnenraums brachte einige schöne Effekte hervor, insbesondere im musikalischen Bereich. Selten sah man das Odeion in so interessanter Weise für eine Theaterproduktion genutzt.

Doch worum geht es nun in Sophokles‘ „Spürhunden“? Das Satyrspiel berichtet von dem Raub der Rinderherde Apolls durch das Kind Hermes, vom Ärger der Gottheit, welche die Satyrn auf die Fährte des Diebes setzt, und vom Hermesknaben, der die Lyra erfindet. Daneben treten der alte Silen als Vater der Satyrn und die Nymphe Cyllene, welche die Amme des Knaben ist, in Erscheinung. Die Handlung ist nicht eben aufregend und bemerkenswert ist wohl vor allem ein Gegenstand: die Lyra. Die Erfindung der Lyra markiert nämlich den mythischen Moment, als die Musik, der Gesang in die Welt trat. Es überrascht darum kaum, dass der musikalische Aspekt zum tragenden der Aufführung entwickelt wurde. Das antike Drama rückte an diesem Abend nahe an die Oper, welche bekanntlich der Beschäftigung mit der griechischen Tragödie entsprang.

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Trackers@Thomas Daskalakis

Michail Marmarinos und sein Team gestalteten mehr als alles andere einen Klangraum. Da sorgten die Blechbläser für die sonore Grundierung, der Chor der Satyrn für Wispern und Glockenspiel und die Stimme des Hermes setzte das Spiel der Lyra opernhaft in den Raum. Die Musikalisierung des Geschehens gelang sehr gut. Chor und Solodarsteller – Harris Fragoulis als Apoll, Stamatis Kraounakis als Silen, Amalia Moutousi als Cyllene und Steve Katona als Hermes – fügten sich gut in dieses Konzept ein. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt, erschien Katona als Hermes. Seine Stimme und sein Auftreten hoben sich aus dem dramatischen Geschehen auf faszinierende Weise hervor. Er sorgte für die interessantesten Bühnenmomente. Ansonsten zog sich das Satyrspiel ein wenig in die Länge. Schade, dass Marmarinos das Fragment nicht zu einer postdramatischen Erkundung genutzt hat. So genoss man die musikalische Form des Abends mehr als die Gestaltung des Texts auf der Bühne. Letztere bewegte sich mehrheitlich in traditionellen Bahnen. 

Das Publikum im ausverkauften Odeion des Herodes Attikus zeigte sich recht begeistert und spendete viel Applaus und Bravorufe.

Ingo Starz (Athen)

 

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