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ATHEN/ Athens Epidaurus Festival / Odeion des Herodes Attikus:  Philharmonia Orchestra/Santtu-Matias Rouvali 

19.06.2024 | Konzert/Liederabende

Athens Epidaurus Festival / Odeion des Herodes Attikus 

Philharmonia Orchestra/Santtu-Matias Rouvali 

Besuchtes Konzert am 18. Juni 2024

Rhythmus und Struktur 

das
Foto: NDP-Agency/@ Thomas Daskalakis

Das Programm des Athens Epidaurus Festival weist im Bereich der klassischen Musik leider nur ein Gastspiel eines europäischen Toporchesters auf. Das 1945 gegründete Philharmonia Orchestra trat mit einem russischen Programm und mit seinem Principal Conductor, dem Finnen Santtu-Matias Rouvali auf. Dass das Odeion des Herodes Atticus nicht voll besetzt war, lag wohl eher an den Kartenpreisen als an Orchester und Programm. Als Solistin stand die wunderbare Patricia Kopatchinskaja auf dem Podium. 

Der Abend begann mit Michail Glinkas Ouvertüre zu seiner Oper „Ruslan und Ludmila“. Schon hier und besonders mit Blick auf das erste Motiv zeigte sich, worauf das besondere Interesse des Dirigenten gerichtet war. Es ging Rouvali ganz stark um die rhythmische Struktur, die denn auch klar hervortrat. Mit Rhythmussetzungen und Tempi gestaltete der Dirigent auch höchst interessant das nachfolgende Violinkonzert in D-Dur von Igor Strawinsky. Das Werk wurde 1931 in Berlin uraufgeführt. Man ordnet es seiner neoklassischen Phase zu, was aber dessen unglaubliche Modernität nicht verdecken sollte. Strawinsky bedient sich darin unterschiedlicher musikalischer Masken, arbeitet mit Effekten und Affekten, ja mit Übertreibungen. Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja stürzte sich mit Feuereifer auf die form- und farbenreiche Musik. Ihr Spiel und das Dirigat des Finnen liessen den unerhörten, manchmal fast explosiven Charakter der Komposition eindrücklich erfahrbar werden. Die Musik sprühte Funken, Kopatchinskaja brachte die nicht eben wenigen virtuosen Momente zum Leuchten. Als Zugabe spielte die Geigerin eine Kadenz zum Violinkonzert aus eigener Hand. 

Nach der Pause erklang die fünfte Sinfonie von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Wer nun ein Schwelgen in spätromantischen Klangwogen erwartet hatte, sah sich rasch getäuscht. Unter Rouvalis klarer Zeichengebung entfaltete das Werk Transparenz im Klang und eine ziemlich strenge, rhythmische Ordnung. Tschaikowskis Sinfonie rückte an diesem Abend in gewissem Sinne näher an Strawinsky heran. Das machte sich von Anfang an bemerkbar, wurde aber wohl in den zwei letzten Sätzen besonders evident. Das Walzerthema des dritten Satzes, die schnellen Übergänge von einer Instrumentengruppe zur anderen gerieten unter Rouvalis Hand zu unerhörter, wirbelnder Lebendigkeit. Das Auftrumpfende des vierten Satzes war dann hier in interessanter Weise gebändigt. Die Struktur resp. Form trat mehr hervor denn ungezügelte Klangentfaltung. Es legte sich eine gewisse Nachdenklichkeit über die Musik, die aber ihren Glanz dabei nicht einbüsste. Das Orchester folgte den Weisungen des Dirigenten äusserst engagiert. Sein Spiel war erstklassig, Klarinetten und Hörner taten sich besonders positiv hervor. Das Philharmonia Orchestra bot unter der Leitung von Santtu-Matias Rouvali ein aufregendes Hörerlebnis. 

Am Schluss gab es ein kurzes Stück für Streichorchester als Zugabe. Das Publikum im nicht ausverkauften Halbrund des Odeions des Herodes Attikus zeigte viel Begeisterung (klatschte aber auch wiederholt an den falschen Stellen).

Ingo Starz (Athen)

 

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