Athens Epidaurus Festival / Antikes Theater von Epidauros
Residenztheater München: Agamemnon
Besuchte Vorstellung am 23. Juli 2022
Klangbilder des Krieges
Copyright: Patroklos Skafidas
Internationale Produktionen haben im antiken Theater von Epidaurus schon Tradition. Dieses Jahr präsentiert das Athens Epidaurus Festival dort gleich zwei Aufführungen deutscher Bühnen. Das Schauspielhaus Bochum brachte am ersten Juli-Wochenende mit grossem Erfolg Euripides‘ „Alkestis“ in einer Inszenierung von Johan Simons zur Premiere. Nun folgte das Residenztheater München. Ulrich Rasche, der schon einige Erfahrung mit dem antiken Theaterrepertoire vorzuweisen hat, brachte Aischylos‘ „Agamemnon“ ins grosse Theater von Epidauros. Der Münchner Auftritt am antiken Ort brachte die Gewissheit: Rasche’s bewegte Theatermaschinerie ist wie geschaffen für eine Neudeutung griechischer Tragödie.
Ulrich Rasche, der Regie und Bühnenraum verantwortet, versteht es, den Krieg, der die Szene allgegenwärtig beherrscht, in jedem Aspekt seiner Inszenierung erfahrbar zu machen. Die Bühnenscheibe, auf der das Geschehen spielt, mit dem darauf gesetzten langrechteckigen Podest für die Perkussionisten ähnelt einer Uhr und ist in ständiger Bewegung. Und wie ein Uhrwerk bewegt sich auch die szenische Handlung. Ein nichtendenwollender Krieg, der berichtete in Troja und der in Mykene verhandelte, beherrscht das Geschehen. Der Kriegslärm der Perkussionisten treibt Chor und Hauptfiguren an, enthüllt die Unmöglichkeit, der Gewalt zu entkommen. Das chorische Sprechen – verbunden mit einer komplexen Bewegungschoregrafie – ist eines der Macht, aber auch der Unterordnung und Anpassung. Die handelnden Hauptfiguren werden als Gefangene oder Befangene im Getriebe eines andauernden Kriegs gezeigt. Die ausgefeilt choreografierte Szene zwischen Agamemnon und Klytämnestra ist der Höhepunkt eines Abends, der die Unbarmherzigkeit der Gewaltausübung als Klangbild mit Kriegsdunst und Marschrhythmus überzeugend veranschaulicht. Das tragische Geschehen lässt die Hauptakteure am Ende entblösst zurück. Die ideale Nacktheit verkehrt sich zur Gebärde von durch Gewalt gezeichneten Menschen. Da ist kein Platz mehr für Helden.
Das aus München angereiste Ensemble bewältigt seine Sache ganz grossartig. Herausragend ist dabei die Klytämnestra von Pia Händler. Überzeugend sind aber ebenso Thomas Lettow als Agamemnon, Liliane Amuat, Myriam Schröder und Anna Bardavelidze als Kassandra, Niklas Mitteregger, Noah Saavedra und Max Rothbart als Bote, Lukas Rüppel als Ägisth sowie Moritz Treuenfels als Menelaus. Alle genannten Schauspieler – mit Ausnahme von Pia Händler – stehen auch als Chormitglieder auf der Bühne. Masse und Individuen gehen sinnfällig ineinander über. Das gesamte Ensemble sorgt mit präziser und detailreicher Artikulation für eine im wahrsten Sinn des Wortes ’sprechende‘ Wiedergabe des Texts, der in der Übersetzung von Walter Jens dargeboten wird. Unterstützt und getragen wird das szenische Spiel vom Sound, den vier grossartige Perkussionisten produzieren.
Das Publikum zeigt viel Zustimmung zu Ulrich Rasches Inszenierung. Zahlreiche Bravorufe.
Ingo Starz (Athen)
Directing – Set design Ulrich Rasche
Translation and adaptation Walter Jens (Performance rights by Theater-Verlag Desch GmbH)
Composition – Musical direction Nico van Wersch
Costume design Romy Springsguth
Choral direction Jürgen Lehmann
Lighting design Gerrit Jurda
Dramaturgy Michael Billenkamp
Assistant directors David Moser, Nils Hampe
Musical assistance Jonathan Emilian Heck
Stage design assistance Lisa Käppler
Costume assistance Natascha Dick
Stage manager Emilia Holzer
Prompter Anna Dormbach
Technical director Andreas Grundhoff
Stage inspector Ralph Walter
Technical stage manager Maximilian Gassner
Stage hands Daniel Michael Jaumann, Benjamin Bob Knabe, Tobias Leitenstern, Jakob Sebastian Lukacin, Florian Manfred Mikschl, Luisa Hendrike Struckmeyer
Lightning crew Goran Budimir, Thomas Keller, Susanne Koch
Sound Nikolaus Knabl, Alexander Zahel
Wardrobe Veronika Kiechle, Stephanie Poell, Jörg Upmann
Makeup Lena Kostka, Isabella Krämer
Props Anna Wiesler
Driver Frank Dyrbusch
Cast Liliane Amuat (Cassandra, Chorus), Anna Bardavelidze (Cassandra, Chorus), Pia Händler (Clytemnestra), Thomas Lettow (Agamemnon, Chorus), Niklas Mitteregger (Messenger, Chorus), Max Rothbart (Messenger, Chorus), Lukas Rüppel (Aegisthus), Noah Saavedra (Messenger, Chorus), Myriam Schröder (Cassandra, Chorus), Moritz Treuenfels (Menelaus, Chorus)
Co-production Residenztheater – Athens Epidaurus