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ATHEN/ Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260: Omar Rajeh: #minaret

27.06.2019 | Ballett/Performance


Foto: Stephan Floss

Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260: Omar Rajeh: #minaret

Besuchte Vorstellung am 26. Juni 2019

Aleppo, eine der aeltesten Staedte der Welt, wurde wegen der heftigen Kaempfe, die dort in den letzten Jahren ausgetragen wurden, zu einem Symbol des Kriegs in Syrien. Der libanesische Choreograf Omar Rajeh, der das Kollektiv Maqamat 2002 in Beirut gruendete, hat mit „#minaret“ ein Stueck geschaffen, welches Aleppo als Ort des Krieges wie der Hoffnung zum Thema hat. Jeder bewaffnete Konflikt schreibt sich, wie man heute weiss, in die Psyche und in die Koerper der Betroffenen ein. Es ist darum ein interessantes Unterfangen, mit den physischen Energien des Tanzes zu untersuchen, was der Krieg mit den Bewohnern der syrischen Metropole macht und wie trotz aller widrigen Umstaende Hoffnung und Lebenswillen immer wieder Oberhand gewinnen.

Rajeh setzt das Geschehen seines Tanzstuecks „#minaret“ in einen Lichtkreis, der gleichsam die Stadt markiert, aber auch das Eingeschlossensein. Im Halbdunkel ausserhalb des Runds spielen Musiker auf. Die laengste Zeit beherrscht eine Drone die Szene, ueber welcher sie kreist. Der Flugkoerper nimmt Filmbilder auf, welche auf die rueckwaertige Wand projiziert werden. Die Praesenz der Drone drueckt Ueberwachung und Bedrohung aus, der Flugkoerper bestimmt die Aktionen menschlichen Koerper. Die Kamera entwirft eindrucksvolle Bilder, etwa dann wenn man zuckende Leiber am Boden wahrnimmt. Omar Rajeh gelingt es auf eindringliche Weise zu zeigen, wie sich das kriegerische Geschehen, der Kampf um Aleppo in die Koerper der syrischen Bevoelkerung einschreibt. Koerper erinnern immer an erlebte Kriege und genau das macht die Performance deutlich. Doch das Stueck geht auch darueber hinaus, wenn es uns den Ueberlebenswillen und die Hoffnung der Menschen vor Augen fuehrt – etwa dadurch, dass gewaltsam anmutende Bewegungen unvermittelt in orientalischen Tanz uebergehen. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Ausnahmesituation und Alltag, kennzeichnen den Krieg und werden hier zum strukturellen Moment der Choreografie. Rajehs Formensprache ist dabei expressiv und deutlich den Tradtionen des Nahen Ostens verpflichtet. Neben dem Tanz vermoegen es Musik und Sound ebenso ueberzeugend, traditionelle Elemente und den Klang der Gewalt zusammenzufuehren. Der libanesische Choreograf zeigt uns Menschenkoerper im Zeichen des Krieges.

Auf der Buehne tanzen Antonia Kruschel, Charlie Prince, Mia Habis, Moonsuk Choi, Yamila Khodr und Omar Rajeh. Sie erzaehlen mit ihren Bewegungen atmosphaerisch dicht das juengste Kapitel der langen Geschichte Aleppos. Die Musiker Joss Turnbull, Mahmoud Turkmani, Ziad El Ahmadie und Pablo Palacio sowie der Saenger Naim Asmar sorgen fuer den stimmigen akustischen Widerhall. Ygor Gama ist fuer das Videodesign, Mia Habis fuer die Kostueme verantwortlich. Das Kollektiv Maqamat praesentiert einen Tanzabend, der unter die Haut geht.

Das Publikum in der vollbesetzten Halle H des Athener Festivals spendet anhaltenden Beifall und Bravorufe.

Ingo Starz

 

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