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ATHEN/ Athens & Epidauros Festival Peiraios 260 H: OF IVORY AND FLESH – STATUES ALSO SUFFER von Marlene Monteiro Freitas

Überbordende Metamorphosen

25.06.2018 | Ballett/Performance

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Copyright: Athens & Epidauros-Festival

Athens & Epidauros Festival
Peiraios 260 H
of ivory and flesh – statues also suffer
Besuchte Vorstellung am 24. Juni 2018

Überbordende Metamorphosen

Marlene Monteiro Freitas, die 1979 in Cape Verde geboren wurde, in Brüssel studierte und heute in Lissabon lebt, gehört zu den aufregendsten Choreografen ihrer Generation. Sie arbeitete in den letzten Jahren wiederholt mit anderen bedeutenden Vertretern der Tanzszene zusammen, wie Cecila Bengolea, Tânia Carvalho oder Boris Charmatz. Ihre Arbeiten werden auf zahlreichen Festivals weltweit präsentiert. Im vergangenen Jahr kam Monteiro Freitas erstmals ans Athener Festival und zeigte eine ungewöhnliche und mitreissende Version von Euripides‘ „Die Backchen“. Die Choreografin wurde 2018 an der Biennale di Venezia mit dem Silbernen Löwen für Tanz ausgezeichnet. Nun kehrt sie mit ihrem Werk „of ivory and flesh – statues also suffer“ nach Athen zurück.

Die Tanzperformance von Marlene Monteiro Freitas, in welcher sie auch auf der Bühne steht, ist in jeder Hinsicht ein grenzüberschreitendes Spektakel. Sie verbindet eindrücklich Elemente des Tanzes, des Theaters, der bildenden Kunst und des Konzerts. Darüber hinaus bezieht sie sich stark auf das Medium Film. Das Stück „of ivory and flesh – statues also suffer“ ist eine lustvolle und energiegeladene theatrale Expedition auf den Spuren von Pygmalion, von dem der antike Dichter Ovid berichtet, dass er durch seine Liebe eine Statue zum Leben erweckt habe. Die ruckartigen, mechanischen Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer erinnern in der Tat sogleich an Automaten, an von Menschen geschaffene Körper. Dieses künstliche Moment wird gebrochen – aber ebenso erweitert – durch ein reiches Arsenal an Affekten, die in Mimik, Gesten und Worten zum Ausdruck kommen. Monteiro Freitas entlehnt dieses Repertoire aus Filmen, insbesondere solchen von Hitchcock, Bergman und Cocteau. Die Traumfabrik liefert somit die Ausdrucksformen für Begehren und Liebe, welche durch Rhythmus und Musik in eine spannungsreiche Form gebracht werden. Für den Sound des Stücks greifen die Künstlerin und ihr Team, dem drei Perkussionisten angehören, auf ein breites Spektrum an Musik zurück, welches von orientalischen Klängen bis hin zu Tschaikowskys „Nussknacker“ reicht. Das alles hat viel Drive und geht sehr gut zusammen. Ausserdem kreiert dieses Mix so ungewöhnliche wie starke Bilder der Metamorphose und der Affekte, stetig zwischen Stillstand und Ekstase oszillierend. Die Körper auf der Bühne heben in dieser transgressiven, an geheimnisvolle Rituale erinnernden Performance ihre vermeintliche Bestimmung durch Geschlecht und Herkunft auf. Der Tanz ist darum auch ein Akt der Befreiung.

Tanz und Perkussion interagieren in Monteiro Freitas Werk in beeindruckender Weise. Es ist der Rhythmus der Schlaginstrumente, welcher dem Geschehen Fluss gibt und Akzente setzt. Marlene Monteiro Freitas, Andreas Merk, Betty Tchomanga und Lander Patrick bilden das Tanzensemble, welches auf der Bühne von den Perkussionisten Cookie – der sich für die Musik verantwortlich zeichnet-, Tomás Moital und Miguel Filipe begleitet wird. Yannick Fouassiers Raum und Licht fokussieren auf ein technoid-performatives Setting mit zwei Podien, vier Mikrophonen und Lichtblitzen. Dies unterstreicht stimmig den Charakters einer Performance, welche Metamorphosen und ekstatische Augenblicke zelebriert.

Das Publikum gerät ins Staunen und ist stellenweise erheitert. Am Ende der Show spendet es begeisterten Applaus.

Ingo Starz (Athen)

 

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