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ATHEN/ Athens & Epidauros Festival Peiraios 260 H: „INOAH“ Bruno Beltrão

Formation der Gesellschaft

15.06.2018 | Ballett/Tanz

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Foto: Athens & Epidauros Festival

Athens & Epidauros Festival
Peiraios 260 H
INOAH
Besuchte Vorstellung am 14. Juni 2018

Formationen der Gesellschaft

Der brasilianische Choreograf Bruno Beltrão begann im Alter von 13 Jahren zu tanzen. Bereits drei Jahre später schuf er mit Rodrigo Bernardi die Tanzcompagnie „Grupo de Rua“. Das im Jahr 1996 gegründete Kollektiv gastiert seit vielen Jahren auf internationalen Festivals. Der Choreograf erhielt für seine Arbeit diverse Auszeichnungen, so im Jahr 2010 den renommierten New Yorker Bessie-Award. In diesem Jahr tritt Beltrãos Truppe erstmals am Athener Festival auf. Die tänzerische Sprache des Brasilianers ist wesentlich von Elementen des HipHop und Breakdance bestimmt. Bruno Beltrãos Arbeit ist auf die Darstellung gesellschaftlicher Konfliktzonen fokussiert, was das aktuelle Stück „INOAH“ deutlich erkennen lässt.

In seinem etwa 50-minütigen Tanzstück, das nach der brasilianischen Stadt benannt ist, in der sich die Arbeits- und Probenstätte der Compagnie befindet, führt der Choreograf eindrücklich vor, wie öffentlicher Raum und eine gesellschaftliche Gruppe interagieren. Unterstützt durch das ausgezeichnete Lichtdesign von Renato Machado schafft Beltrão Räume der Begegnung, transformiert die Bühne gleichsam in einen öffentlichen Platz. Dass dies so gut gelingt, liegt unter anderem an einer ausgeklügelten Bewegungsführung, welche die Tänzer wechselweise zu Handelnden oder Zuschauern resp. Passanten macht. So sieht man etwa immer wieder Tänzer im tieferliegenden Umgangsbereich der Bühne stehen und zeitweise auch sprechen. Der dadurch entstehende Eindruck eines Platzes als öffentliche Bühne wird durch das Geschehen bestätigt, welches von männlicher Gebärdensprache, Machtgehabe und kämpferischen Aktionen bestimmt ist. Die eingesetzten Elemente des Street Dance sind aufgebrochen oder dekonstruiert, wirken roh, hart, ausgesprochen maskulin und oft sehr aggressiv. Ähnliches liesse sich über den Sound von Felipe Storino sagen. Konflikte brechen in diesem Stück permanent hervor und werden pointiert ausgetragen. Viele Momente der Choreografie lassen sich als Rituale einer vom Recht des Stärkeren bestimmten Gesellschaft lesen. „INOAH“ beginnt im Dunkel und endet abrupt mit dem Verlöschen des Lichts, es ruft die Ahnung nahender, grösserer Konflikte hervor. Das Stück setzt dabei starke, klare Akzente.

Die tänzerische Sprache von Bruno Beltrão ist so originell wie bildstark. Trotz der nach aussen tretenden Härte zahlreicher Gebärden entwickelt die Choreografie eine geheimnisvolle Eleganz. Und was die Tänzer auf der Bühne zeigen, ist von beeindruckender Virtuosität. Bruno Duarte, Cleidson De Almeida, Douglas Santos, Igor Martins, João Chataignier, Leandro Gomes, Leonardo Laureano, Alci Junir, Ronielson Araújo und Sid Yon bieten grossartige Leistungen. Warum das Programm zehn Tänzer nennt, auf der Bühne aber nur neun auftreten, wird nicht erklärt.

Das Publikum reagiert mit Begeisterung und lang anhaltendem Beifall.

Ingo Starz (Athen)

 

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