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ATHEN/ Athens & Epidauros Festival: LA PLAZA von Tanya Beyeler und Pablo Gisbert

02.07.2018 | Theater

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Copyright: Athens-Festivals

Athens & Epidauros Festival
Peiraios 260 D
La Plaza
Besuchte Vorstellung am 1. Juli 2018

Realität ist eine Erfindung

Das aus Barcelona stammende Theaterkollektiv „El Conde de Torrefiel“ ist gerade dabei sich einen festen Platz im europäischen Theaterbetrieb zu erobern. Die von der Schweizerin Tanya Beyeler und dem Spanier Pablo Gisbert 2010 in Barcelona gegründete Truppe zeichnet sich durch ihre ausgefeilten Text-Bild-Sound Mixtures aus, die leichterhand bedeutungsschwere Fragen in den Raum stellen. Dabei wird das europäische Wohlstandspublikum aufgefordert, zumindest in Gedanken die liebgewonnene Komfortzone zu verlassen. Nun kommen die Künstler erstmals nach Athen, wo sie ihre jüngste Produktion „La Plaza“ zeigen. Nach Brüssel, wo die Uraufführung stattfand, Frankfurt, Lissabon und Wien ist die griechische Hauptstadt die vierte Station in der Touragenda.

Das Stück „La Plaza“ ist eine essayistische Arbeit über Theater, über unsere Erwartungen daran als Zuschauer und darüber, wie wir Realitäten wahrnehmen und kreieren. Die Ästhetik des Abends zeichnet sich zunächst einmal dadurch aus, dass auf der Bühne nicht gesprochen wird und das Publikum den Text mittels Übertiteln vermittelt bekommt. Was wir hören, ist suggestiver Sound oder Gesäusel, das an Sprache erinnert. Das Projekt erzählt zu Beginn von einer 365 Tage währenden, an 365 Orten auf der Welt gleichzeitig stattfindenden Performance, die nichts zeigt oder erzählt. Theater als in jeder Hinsicht leerer, unbeschriebener Raum. Der Erzähler des Texts wechselt dann zur Du-Ansprache und vermittelt die Erfahrungen eines Besuchers, der die Stille des Aufführungsorts verlässt und zu einer Reise durch die nächtliche Stadt aufbricht. Dort begegnen diesem Menschen, die ihn unterschiedliche Ansichten des urbanen Raums imaginieren lassen, etwa den einer von Muslimen bevölkerten und bedrohten Stadt. Das eindrückliche Spiel auf der leeren Bühne kreist um die Frage, wie wir alltäglich Bilder und Realität erschaffen. Es lenkt den Blick auf die Konstrukte und etabliert das Theater als Gegenort: einen Raum, in dem es nichts zu sehen und hören gibt. „La Plaza“ ist ein ebenso klug entworfenes wie überzeugend in Szene gesetztes Stück.

Der Text von Pablo Gisbert liefert eine assoziationsreiche und humorvolle Grundlage für die Performance. Gisbert und Beyeler haben dazu eine Reihe starker Bilder erfunden, die Figuren auf der Bühne zeigen, deren Gesichter verhüllt sind. Anonymität beherrscht die Szene, sei es wenn muslimische Frauen sich beim Einkauf treffen oder Touristen durch die Stadt geführt werden. Auch an Zukunftsvisionen fehlt es nicht, etwa wenn der Text ausführt, dass die Länder in 100 Jahren von Unternehmen geführt würden. Staaten hiessen dann beispielsweise Bayer-Deutschland oder Alpha Bank-Griechenland. Das ist alles anregend und gut präsentiert. Dem Künstlerduo Beyeler und Gisbert gelingt mit einem perfekt choreografierten Ensemble und unterstützt von Blanca Añón (Bühnenraum), Ana Rovira (Lichtdesign) und Adolfo Fernández García (Sounddesign) eine faszinierende Studie über Wahrnehmung und Realitätskrise in unserer Welt.

Starker Beifall am Schluss.

Ingo Starz (Athen)

 

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