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ATHEN/ Athens & Epidauros-Festival: DER GEFESSELTE PROMETHEUS/ DIE SCHUTZFLEHENDEN

07.08.2017 | Theater

Athens & Epidauros Festival
Kleines Theater des antiken Epidauros
Der gefesselte Prometheus / Die Schutzflehenden
Besuchte Vorstellung am 5. August 2017

Im Strom der Worte

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Prometheus. Copyright: Desmotis Press

Man kann sich der griechischen Tragödie von verschiedenen Seiten her nähern und unterschiedliche Facetten beleuchten, immer aber bleibt ein zentrales Moment die Sprache, der gesprochene Text. Sprache meint dabei in aller Regel Übersetzung. Und dies ist selbst bei Produktionen in Griechenland der Fall, weil nur wenige dem Altgriechischen folgen könnten. Die Aufführung, von der hier zu berichten ist, verbindet zwei Dramen von Aischylos zu einem Abend: „Der gefesselte Prometheus“ und „Die Schutzflehenden“. Zu erleben ist im Kleinen Theater von Epidauros eine Produktion des letztjährigen Festivals von Avignon. Der renommierte, in Schauspiel und Oper erfahrene Regisseur Olivier Py hat die beiden Werke ins Französische übersetzt und auf die Bühne gebracht. Sein Augenmerk gilt ganz dem Duktus der Sprache von Aischylos, deren körperhafter Erscheinung.

Den Bühnenraum nimmt ein langer, schwarzer Laufsteg ein, die Kostüme (Pierre André Weitz) schauen alltäglich aus. Das Geschehen der beiden Tragödien – der Widerstands Prometheus gegen Zeus und das Erscheinen der geflüchteten Töchter des Danaos als Asylsuchende in Argos – verdichtet sich im Spiel dreier Darsteller. Da tritt der individuelle Charakter der Figuren zurück hinter den Ideen und Prinzipien, welche diese verkörpern. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase lauscht man dem melodischen Fluss der französischen Sprache gerne, auch wenn man sich bisweilen deutlichere Zäsuren resp. Akzentsetzungen gewünscht hätte. Die Protagonisten Philippe Girard, Frédéric Le Sacripan und Mireille Herbstmeyer machen ihre Sache gut. Le Sacripan gelingt dabei die „Vokalisierung“ des Prometheus besonders eindringlich. Das Sprechkonzert, wenn man es so bezeichnen will, wird von bescheidenen Aktionen begleitet, die leider oft mit opernhaften Gesten einhergehen, was eher antiquiert anmutet und wenig zum Verständnis des Ganzen beiträgt. Andere Formen der Stilisierung würden da vielleicht eine bessere Wirkung erzielen.

Die Frage bleibt jedoch am Schluss, was uns Olivier Py mit seiner minimalistischen Inszenierung sagen will. Ohne Frage, der Zusammenhang der beiden Stücke tritt klar hervor – die Danaiden werden im „Prometheus“ erwähnt, womit die szenische Abfolge ganz folgerichtig daherkommt. Da kaum etwas von der Sprache ablenkt, hängt man als Zuschauer mehr an dieser und hört wohl auch genauer hin. Das ist keine schlechte Sache. Von einer eigentlichen Deutung oder Vergegenwärtigung der Dramen durch Py kann aber nicht die Rede sein. Das Publikum bekommt eine Art Oratorium vorgesetzt – Gedanken zur Aktualität der in den beiden Werken behandelten Fragen muss es sich selber machen. Nach dem Applaus zu schliessen, leistete das Auditorium dieser implizierten Aufforderung gerne Folge.

Ingo Starz

 

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