Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/ Alexandra Trianti Hall des Megaro Mousikis: BLANK OUT von Michel van der Aa

Musiktheater, live und in 3D

31.03.2019 | Oper

Bildergebnis für athen blank out
Foto: Ekathimerini

Megaro Mousikis, Athen: Blank Out. Besuchte Vorstellung am 31. Maerz 2019

Musiktheater, live und in 3D

Es ist schwierig zu sagen, wie die Zukunft der Oper aussehen wird. Sicher duerfte sein, dass das Musiktheater sich in eine Richtung entwickelt, in der Multikultur und Multidisziplinaritaet eine bedeutende Rolle einnehmen werden. Der 1970 in den Niederlanden geborene Komponist Michel van der Aa ist einer, dem das multidisziplinaere Arbeiten schon lange ein wesentliches Anliegen ist. Sein Musiktheaterstueck „Das Buch der Unruhe“ nach Fernando Pessoas beruehmtem Roman wurde im Dezember 2017 im Athener Onassis Cultural Centre gezeigt. Das Werk verbindet in eindringlicher Weise Live-Geschehen und Videoprojektionen. Mit seiner Arbeit „Blank Out“, die nun an zwei Abenden in der grossen Alexandra Trianti Hall des Megaro Mousikis praesentiert wurde, geht der Komponist technologisch deutlich weiter.

In „Blank Out“ wird die Geschichte einer Mutter-Sohn-Beziehung erzaehlt. Das Stueck entfaltet rund um einen tragischen Unfall des Jungen, bei dem die Mutter ihr Kind dem Ertrinken entreisst und selber umkommt, Spuren der Erinnerung. Live steht nur die Saengerin der Mutter auf der Buehne, der Sohn sowie Chorstimmen tauchen nur in der Filmspur auf. Von einem Orchester oder Instrumenten wird nicht Gebrauch gemacht, lediglich elektronischer Klang taucht hin und wieder auf. Da Michel van der Aa mit der 3D-Technik arbeitet (und das Publikum folglich mit dunkelgetoenten Brillen das Geschehen verfolgt), kommt es an den besten Stellen der Produktion zu interessanten Ueberlagerungen, wo die Grenzen zwischen Realitaet und Fiktion durcheinander geraten. Dabei ist es die Saengerin auf der Buehne, welche gleichsam die technologisch grundierte Aktion steuert. Mit Kamera, Hausmodell und wenigen Requisiten wird eine Livefilmspur geschaffen, welche auch die Protagonistin auf den Screen bringt. Die Projektion verbindet, was vor den Augen der Zuschauer passiert mit Filmeinspielungen, die das reale Haus, welches der erwachsene Sohn aufsucht, zeigen. Eine Szene fuehrt exemplarisch die Verwobenheit der beiden Sphaeren vor: Zwei Tonbandgeraete, eines auf der Buehne, das andere im Film, werden mittels der als breite Stoffbaender gezeigten Tonbaender raeumlich vernetzt. Das ist ein starkes Bild, gerade deshalb, weil es sich auch symbolisch lesen laesst. Der Chor bleibt die ganze Zeit unsichtbar und kann als Echokammer der Handlung verstanden werden. Die vom Komponisten eingesetzte Technik dient, und das macht den Abend so ueberzeugend, nicht nur einer visuellen und akustischen Erweiterung des Raums, sondern befoerdert auch eine raffinierte Erzaehlweise. Die Musik hat dabei einen minimalistischen, das Erzaehlen stuetzenden Gestus, der sich in spezifischen Tonhoehen ausdrueckt.

Blank Out
Copyright: Megaro Mousikis

Die Sopranistin Katherine Manley ueberzeugt in allen Belangen. Ihr Gesang ist beruehrend, ihre Aktionen erfolgen praezise und entfalten in den entscheidenden Momenten die noetigen Ausdrucksqualitaeten. Der Bariton Roderick Williams singt mit warmem Stimmklang die Rolle des Sohns und „interagiert“ in perfekter Weise mit Manley. Der Nederlands Kamerkoor fuellt seinen Part mit Bravour aus. Michel van der Aas 70minuetiges Werk „Blank Out“ ist Musiktheater auf der Hoehe unserer Zeit, zeitgenoessisch in Musik, Handlung und Einsatz der Theatermittel. Man darf gespannt sein, wohin die kuenstlerische Entwicklung des Niederlaenders in Zukunft geht. Das Publikum bedankte sich mit starkem Beifall.

Ingo Starz

 

Diese Seite drucken