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Asya Fateyeva (Saxophon) und Ensemble stellt ihre erste CD bei Berlin Classics vor/ Werke von Schulhoff, Krenek, Weill und anderen

13.02.2020 | cd

Asya Fateyeva (Saxophon) spielt Werke von Schulhoff, Krenek, Weill und anderen

FEURIGER MUSIKALISCHER PIONIERGEIST

Asya Fateyeva (Saxophon) und Ensemble stellt ihre erste CD bei Berlin Classics vor/

In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts galt das Saxophon als die wichtigste Stimme der modernen Salonmusik. Tanzbare Großstadtrhythmen, kulturpolitische Verfemung und musikalischer Pioniergeist stehen im Zentrum dieses ausgezeichneten Albums. Namensgebend für Asya Fateyevas Album „Jonny“ ist Ernst Kreneks Zeit- und Jazzoper „Jonny spielt auf“. Die 421 Aufführungen in 45 verschiedenen Städten innerhalb der ersten Saison und die Nutzung der Darstellung des Schwarzen Saxophonisten auf dem Plakat der Ausstellung „Entartete Musik“ von 1938 verdeutlichen die wichtige Rolle dieses Werkes. Die 1990 auf der Krim geborene Asya Fateyeva reizt es besonders, wie unterschiedlich die Komponisten die Musik als jeweils eigene Sprache und Weltanschauung benutzten. Bei Adolf Busch, Paul Hindemith und Anton Webern trete das Saxophon als klangliches Mittel zum Zweck auf, während Erwin Schulhoff, Kurt Weill und Ernst Krenek dieses Instrument als Ausdruck des Zeitgeistes und als Sprachrohr der Bitterkeit und des Sarkasmus verwendet hätten, so die vielfach preisgekrönte Künstlerin. Zusammen mit Emma Yoon und Florian Donderer (Violine), Yuko Hara (Bratsche), Tanja Tetzlaff (Cello), Stephan Simonian (Klavier) und Shirley Brill (Klarinette) wird hier das Intime in reizvoller Weise beschworen. Gleichzeitig sticht das dynamische Gleichgewicht in ausdrucksvoller Weise hervor. Dies zeigt sich sogleich bei Erwin Schulhoffs „Hot-Sonate“ im Arrangement für Saxophon und Streichquartett von Dirk Beisse, wo sich Futurismus und Dadaismus musikalisch zu begegnen scheinen. Die Strukturen der klassischen Sonatenform sind deutlich herauszuhören, ohne dass der Jazzcharakter verloren geht. Andererseits zeigt sich bei Adolf Buschs Quintett für Altsaxophon und Streichquartett eine geradezu spätromantische Aura, die dieses Ensemble herausragend verdeutlicht. „Für das Saxophon passen keine Vaterlandslieder, weshalb es sich draußen keiner Beliebtheit erfreut“, meinte Erwin Schulhoff im Jahre 1925. Anton Webern stellte das Saxophon gleichberechtigt neben Klarinette, Violine und Klavier, was sein Quartett op. 22 eindrucksvoll verdeutlicht. Das Ensemble  musiziert auch hier mit glühender Intensität. Mathematische Präzision und Regelhaftigkeit stehen dabei zwar im Vordergrund. Aber die hintergründigen Emotionen dieser Musik werden bei der Aufnahme ausgezeichnet herausgearbeitet. Webern als Meister des Pianissimo und der verhaltenen Melancholie kommt so voll zu seinem Recht. Als Vater der seriellen Technik arbeitete Anton Webern auch ohne Thematik, also viel freier, was bei dieser empfehlenswerten Einspielung gut zu Gehör kommt. Die seltsamen Reize der Zwölftontechnik mit ihrer raffinierten Motivgliederung betören hier den Zuhörer in seltsamer Weise. Die Goldenen Zwanziger werden dann bei Ernst Kreneks Suite zur Oper „Jonny spielt auf“ temperamentvoll und funkensprühend beschworen. Der ständige Wandlungsprozess im Schaffen Ernst Kreneks und sein virtuoses Spiel mit den Grenzen der Tonalität sind auch hier in faszinierender Weise spürbar. Momente der Neuromantik, des Expressionismus und des Jazz werden in kunstvoller Weise vermischt. Und das Ensemble um Asya Fateyeva musiziert aus Herzenslust. Die musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten scheinen hier ständig erweitert zu werden. Einen hervorragenden Eindruck hinterlässt ferner die kompakte und klangschöne Wiedergabe des wertvollen Trios op. 47 von Paul Hindemith – ein streng kontrapunktisch gearbeitetes Meisterwerk. Gerade der zweite Satz mit seinem suggestiven „Potpourri“ und den fortlaufenden Kanons sowie den toccatenartigen Teilen erreicht einen klanglich fesselnden Eindruck. Zum Abschluss begeistert die rhythmisch feurige Wiedergabe von Kurt Weills „Dreigroschenoper“-Musik im Arrangement für Saxophon, Streichquartett und Klavier von Dirk Beisse. „Mackie Messer“, die „Ballade vom angenehmen Leben“, die „Zuhälterballade“ und der fantasievoll-fetzige „Kanonensong“ besitzen eine elektrisierende Wirkungskraft. Rhythmisch und melodisch ist hier alles aus einem Guss.

Alexander Walther

 

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