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apropos: Die Oscars – drei von vieren

05.03.2018 | Apropos

apropos: Die Oscars – drei von vieren

Eigentlich wollte ich voraus spekulieren, aber was soll’s, da bekommt man nachher ja doch nur Spott und Hohn der lieben Mitwelt zu spüren. Doch zu meiner Überraschung sind bei der diesjährigen „Oscar“-Verleihung bei den besten Darstellern drei von vieren meiner Wunsch-Tipps „aufgegangen“: Auch ich hätte Gary Oldman für seine erstaunliche Darstellung des Churchill „Oscar“-bekrönt, desgleichen Frances McDormand für ihre unpathetische Wutbürgerin in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ (ungeachtet dessen, wie großartig Meryl Streep in „Die Verlegerin“ wieder einmal war), und dass Allison Janney in ihrer Darstellung einer typischen Eislaufmutter in „I, Tonya“ die beste von allen Nominierten war – keine Frage für mich.

Als besten „Nebendarsteller“ hätte ich mir zwar den als alter Getty-Milliardär exzeptionellen Christopher Plummer in „Alles Geld der Welt“ gewünscht, aber mit Sam Rockwell als Sheriff, der eine überzeugende Wandlung erfährt („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) kann ich sehr gut leben – eine Klischeerolle dermaßen mit „echtem“ Leben zu erfüllen, ist „Oscar“-Gold wert.

Bester Film, beste Regie – was soll ich sagen? Für mich ist „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ wirklich ein schlimmer Film, eine spekulative Kitschorgie um Gutmenschen, kaum auszuhalten. Glücklicherweise gibt es in den Kreisen meiner Filmkritiker-Kollegen den einen oder anderen, der mir zustimmt (ob sie es dann auch geschrieben haben, weiß ich nicht, es bedeutete ja, sich gegen einen starken Mainstream zu stellen). Aber immerhin – ein Kollege, den ich besonders mag und der sehr gescheit ist, war hingerissen. Was soll man sagen? Na, ich ziehe mich da ja immer gern auf meine alten Römer zurück: Quot capita, tot sententiae – so viele Köpfe, so viele Meinungen.

Ja, wer wäre denn mein Favorit gewesen? Nicht so „gute“, gut gemachte Filme wie „Die Verlegerin“ von Spielberg oder jene „Darkest Hour“, für die Gary Oldman gekrönt wurde, auch nicht „Der seidene Faden“ (wie ein Film wie dieser als „bester Film“ gedacht werden kann, wo er doch nur gute, affektiert aufgemotzte Gebrauchsware ist, verstehe ich ohnedies nicht). Ich hätte mich für „Lady Bird“ und Greta Gerwig entschieden, nicht weil es ein Frauenfilm und eine Regisseurin gewesen wären, sondern weil das eine so tief echte, in der Essenz dessen, was sie erzählen will, bewältigte Geschichte ist. Aber sei’s drum, unechte Gutmenschen-Märchen haben’s offenbar leichter…

Zum besten ausländischen Film kann ich nichts sagen, weil mir „Una mujer fantastica“ aus Chile noch nicht untergekommen ist – als europäischen Film habe ich seit langem, langem, langem nichts Besseres gesehen als „The Square“ mit seiner unter den Nägeln brennenden Gegenwartsproblematik: Wie verhält man sich in unserer Gesellschaft?

Dass James Ivory für „Call Me by Your Name“ den „Oscar“ für das beste adaptierte Drehbuch erhalten hat, finde ich sehr schön und eine Verbeugung vor einem Mann, der unendlich viel für den Film (und dort auch für die sensible Darstellung der Homosexualität auf der Leinwand) geleistet hat. Timothee Chalamet, der atemberaubende junge Darsteller in diesem Film, ist jung genug, um den „Oscar“ schon noch einmal zu bekommen…

Was soll man sonst zu den „Oscars“ sagen? Dass die Show der Kleider, die von den weiblichen Stars getragen wurden, mich diesmal gar nicht überzeugt hat (ich sehe mir so was immer dann auch in den Bildstrecken an, die von so gut wie allen Zeitungen geboten werden – ich geb’s ja zu, was soll ich zu meiner Verteidigung sagen?). Und kann es sein, dass Allison Janney mit geringen Variationen das gleiche Kleid trug wie Meryl Streep? Und Jennifer Lawrence soll betrunken gewesen sein? Aber nein, diese Sorgen habe ich nicht…

Renate Wagner

 

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