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ANTONIO VIVALDI: IL GIUSTINO – Vivaldi Edition Vol. 58 – Naïve

Oper über den illyrischen Bauern Giustino, der als Justin I den römischen Kaiserthron bestieg

29.10.2018 | cd

ANTONIO VIVALDI: IL GIUSTINO – Vivaldi Edition Vol. 58 – Naïve

Oper über den illyrischen Bauern Giustino, der als Justin I den römischen Kaiserthron bestieg

 

Veröffentlichung: 19. November

 

Das Sujet dieses Dramma per musica auf ein im Jahr 1683 von Niccolo Beregan verfasstes Libretto, uraufgeführt während des römischen Karnevals 1724 in Rom, hat auch andere Komponisten wie Giovanni Legrenzi oder Georg Friedrich Händel inspiriert. Manche werden sich mit Freuden an die unvergessliche Inszenierung von Harry Kupfer des Händel‘schen Giustino an der Komischen Oper Berlin 1984 mit Jochen Kowalski in der Titelpartie erinnern, die 1986 erfolgreich an die Wiener Volksoper transferiert wurde. Doch das ist eine andere Geschichte.

 

Dass jetzt das Opernschaffen Vivaldis vom Label Naïve vorbildlich aufgearbeitet werden kann, ist einem spektakulären Archivfund in Turin in den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts zu verdanken. Unter den 450 wiederentdeckten Werken befanden sich 21 Opern, von denen schon etliche vom ehrgeizigen französischen Label eingespielt worden sind, u.a. „L‘Incoronazione di Dario“, „Il Farnace“, „Dorilla in Tempe“, „Griselda“, „L‘Olimpiade“, „Orlando Furioso“ oder „Ottone in Villa“. Innerhalb der Vivaldi-Edition stellt „Il Giustino“ nach der kritischen Ausgabe von Reinhard Strohm die 58. Einspielung und die 18. Oper dar. Diese einmalige Edition zählt wohl zu den aufregendsten diskografischen Abenteuern überhaupt. 

 

Die Handlung von „Il Giustino“ spielt auf die Verteidigung des Heiligen Römischen Reichs gegen die Ottomanen an. Gewalt, Eifersucht, Erotik, Verrat und eine gehörige Portion Phantasie bilden die üblichen affektgeladenen Ingredienzien dieser trickreichen venezianischen Nummernoper, die den unaufhaltsamen Aufstieg eines jungen Bauern aus Naissa (heutiges Nis in Serbien) an die Spitze der römischen Politik zur historischen Grundierung hat. An die hundert einfallsreiche, untereinander kontrastrierende Arien und Rezitative durchmisst die üppige Partitur, knapp über zwanzig Nummern stammen aus früheren Werken Vivaldis, neun von ihnen aus der Oper ,Tieteberga‘, die 1717 in Venedig uraufgeführt wurde. Neben farbvoll-leidenschaftlichen Arien gibt es auch spektakulär Theatralisches zu vermelden. Da entzücken Kämpfe gegen Bären und Meerungeheuer samt stürmischem Meer, Stimmen aus dem Grab lassen den Zuhörer erschauern wie in Mozarts Don Giovanni. Außerdem gibt es eine Arie, die lediglich von einem Solo-Psalter begleitet wird. 

 

War es zur Zeit der Uraufführung von Il Giustino im Kirchenstaat Frauen nicht gestattet, auf öffentlichen Bühnen in Erscheinung zu treten, weshalb Vivaldis auf eine Heerschar an berühmten Kastraten zurückgreifen musste, bilden den wesentlichen Teil der Besetzung der gelungenen Neueinspielung mit der vor Temperament nur so sprühenden Accademia Bizantina unter der schwungvollen Stabführung Ottavio Dantones ein glorreiches Frauen-Kleeblatt. Die Kontraaltistinnen Delphine Galou (Giustino) und Silke Gäng (Anastasio) sowie die liebreizenden Sopranstimmen von Emőke Baráth (Arianna) und Verónica Cangemi (Leocasta) führen eine vom Stimmcharakter der Figuren her optimale Besetzung an. In weiteren Rollen firmieren der Tenor Emiliano Gonzales Toro (Vitaliano), Rahel Maas (Fortuna), Alessandro Giangrande (Andronico/Polidarte) sowie Arianna Venditelli (Amanzio). 

 

Für alle Freunde virtuoser Barockmusik, die vielleicht dazu noch ein Faible für Vivaldis so herrlich tänzerische Instrumentalmusik haben, ist diese kurzweilige Operngesamtaufnahme ein Muss.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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