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ANTONIO SALIERI: LA FIERA DI VENEZIA – Weltersteinspielung, Leverkusen Oktober/November 2018 – deutsche harmonia mundi

20.08.2019 | cd

ANTONIO SALIERI: LA FIERA DI VENEZIA – Weltersteinspielung, Leverkusen Oktober/November 2018 – deutsche harmonia mundi

 

Der vorliegende Mitschnitt basiert auf einer Vorstellungsserie der Schwetzinger Festspiele 2018. Damit widerfährt einem vergessenen Dramma giocoso, das 246 Jahre lang in den Archiven geschlummert hat, in seiner vollen Länge Aufmerksamkeit. Nur die Gruppe Monty Python hat 1974 ihren Sketch “The Golden Age of Ballooning” mit Ausschnitten aus der Ouvertüre unterlegt. Weiter interessiert hat sich damals offensichtlich niemand für die Musik. 

 

Mozart war von der musikalischen Substanz der Oper des 21-jährigen Salieri derart angetan, dass er 1773 Klaviervariationen über das Duett “Mio capo Adone” aus dem zweiten Akt schrieb. Mozarts Vater Leopold war da allerdings anderer Meinung. Er attestierte der Buffa “die aufgepeitschtesten gemeinsten Gedanken, sah sie altväterisch, gezwungen und sehr Leer an Harmonie.” Man stelle sich vor, heute würde ein Tonsetzer offen so über die Musik eines anderen Komponisten urteilen. Objektiv gesehen, d.h. gemessen an den Aufführungszahlen war sie eine der erfolgreichsten musikalischen Komödien ihrer Zeit und wurde in ganz Europa gespielt. 

 

Drei Paare und ihre Liebesgeschichten stehen im Zentrum der Handlung. Silke Leopold beschreibt das so: “Es geht um die Liebeswirren dreier Paare, die nach vielen Turbulenzen, Verwicklungen, Ränkespielen und Täuschungsmanövern schließlich in der richtigen Anordnung zueinander finden. Der Herzog Ostrogoto und die Marchesa Calloandra, die ehrgeizige Falsirena (“falsche Sirene”) und ihr Verehrer Belfusto (“schöner Prachtkerl”), schließlich der Wirt Rasojo (“Rasiermesser”) und die Geschäftsfrau Cristallina (“Kleiner Kristall”).” 

 

Ob Salieris erotisches Verwechslungsstück samt seinem ätzenden gesellschaftskritischen Humor als Wegbereiter für Mozarts “Le nozze di Figaro gelten” darf? Auf jeden Fall spiegelt diese venezianische Komödie gut die Lust des Publikums nach frivoler Unterhaltung sowie den Zeitgeist, der sich damals Bahn brach. Die Musik selbst ist über weite Strecken zündend effektvoll und eingängig. Natürlich gibt es diese “zwei glatt zwei verkehrt” Nummern, wo man nach einem Takt schon ahnt, wie sich die beiden kommenden anhören werden. 

 

Dann aber staunen wir im zweiten Akt wiederum über so bezwingend witzige musikalischen Einfälle, wie das Terzett zwischen Falsirena, Calloandra und dem Herzog Ostrogoto “So wie bey den deutschen Tänzen“ oder die köstlich larmoyante Arie “Quando infam ti lusingai?” der Falsirena. Der komödiantische Ton in vielerlei Gestalt zeigt einen jungen Musiker voller Ideen und unbändiger Freude an der grellen Beleuchtung libinöser Schwächen, der geschäftlichen und finanziellen Gier seines Bühnenpersonals. In diesem Venedig ziehen junge venezianische Mädel reichen Herren das Geld aus der Tasche, kämpfen Falsiera  und Calloandra bei einem Maskenball mit allen Mitteln der Verkleidung und Intrige gleichermaßen um die Gunst des Herzogs. Im dritten Akt wird ein bissl verhaftet, die Betrüger sollen betraft werden. Natürlich gelingt es Falsiera Ostrogoto zu versöhnen und die Oper schließt mit einer dreifachen Hochzeit. 

 

Wir hören eine Fassung, die die Forschungsstelle Südwestdeutsche Hofmusik basierend auf Manuskripten aus München und Dresden vorgelegt hat. Die Besetzung mit Francesca Lombardi Mazzulli (Sopran Falsirena), Krystian Adam (Tenor Ostrogoto), Dilyara Idrisova (Sopran Calloandra), Furio Zanasi (Bass Grifagno), Giorgio Coaduro (Bariton Belfusto), Natalia Rubis (Sopran Cristallina) und Emanuele D’Aguanno (Tenor Rasojo) begeistert durch Spielfreude, Textverständlichkeit und durchwegs frische Stimmen. Werner Ehrhardt als musikalischer Spiritus rector des Unterfangens und gleichermaßen quick energischer Dirigent legt ein überzeugendes Plädoyer für diese Opera Buffa ab, zweieinhalb Stunden kurzweilige Unterhaltung garantiert.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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