Leidenschaft und Tiefe: Harriet Krijgh interpretiert Dvořák und Elgar
Harriet Krijgh gilt als eine der vielversprechendsten Cellistinnen unserer Zeit. Auf ihrer neuesten CD widmet sie sich zwei bedeutenden Werken der Celloliteratur: den Konzerten von Antonín Dvořák und Edward Elgar. Begleitet wird sie dabei vom Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Martin Sieghart. Krijgh präsentiert in dieser Einspielung ihre Fähigkeit, sich in die emotionalen Tiefen der Musik zu versenken, ohne dabei die technische Brillanz zu vernachlässigen. Dies ist eine CD, die nicht nur Celloliebhaber begeistern dürfte, sondern auch Kenner der sinfonischen Literatur.
Harriet Krijgh, eine Künstlerin, die mit ihrer musikalischen Sensibilität besticht, erlangte bereits früh internationale Aufmerksamkeit. Mit Auszeichnungen und prestigeträchtigen Auftritten in den großen Konzerthäusern Europas etablierte sie sich als eine Cellistin, die sowohl durch technische Perfektion als auch durch eine reife, emotionale Interpretationsweise beeindruckt. Ihre Diskografie zeigt eine bemerkenswerte Bandbreite, die Werke von Haydn bis Kabalewski umfasst, doch mit der vorliegenden CD erfüllt sie sich einen persönlichen Wunsch: die Aufnahme der großen Cellokonzerte von Dvořák und Elgar.
Das Cellokonzert in h-Moll, Op. 104 von Antonín Dvořák ist eines der monumentalsten Werke der Celloliteratur und zugleich ein persönliches Bekenntnis des Komponisten zu seiner böhmischen Heimat. Die emotionalen Kontraste, die das Werk prägen, machen es zu einem Prüfstein für jede Cellistin. Dvořák vermengt darin volksnahe Melodik mit leidenschaftlicher Dramatik und orchestraler Opulenz.
Schon im ersten Satz des Dvořák-Konzerts fasziniert Krijgh mit einem kraftvollen, aber zugleich lyrischen Celloton. Sie setzt die wehmütigen Melodiebögen mit einer tiefen Intensität um, die Dvořáks innige Heimatverbundenheit spürbar machen. Ihr Spiel ist bestimmt von einer außergewöhnlichen Klangfülle und Farbpalette, die sowohl die zarten als auch die dramatischen Momente des Satzes voll zur Geltung bringen.
Der zweite Satz stellt die lyrische Seite des Konzerts in den Vordergrund. Hier glänzt Krijgh mit einem geradezu intimen, gesanglichen Ton. Die Melancholie und Zartheit, die sie in ihre Interpretation legt, lassen den Hörer unmittelbar an dem emotionalen Reichtum der Musik teilhaben. Ihre Phrasierung wirkt dabei stets organisch und fließend, was dem Satz eine besondere Wärme und Innigkeit verleiht.
Im finalen Allegro moderato zeigt sich Krijgh von ihrer virtuosen Seite. Sie meistert die technisch anspruchsvollen Passagen mit Leichtigkeit, ohne dabei die Emotionalität zu vernachlässigen. Hier vereinen sich technische Brillanz und musikalischer Ausdruck auf beeindruckende Weise. Die abschließende Coda, die zugleich dramatisch und triumphal ist, wird von Krijgh und dem Orchester packend dargeboten.
Das Tonkünstler-Orchester unter Martin Sieghart erweist sich als ein idealer Partner für Harriet Krijgh. Sieghart führt das Orchester mit einer klaren, feinfühligen Hand durch die vielschichtigen Klanglandschaften, die Dvořák entwirft. Die Musiker begleiten die Solistin mit einem warmen, dichten Klang, der nie überladen wirkt, sondern stets die Balance zwischen Orchester und Soloinstrument wahrt. Besonders hervorzuheben ist das sensible Zusammenspiel, das den Dialog zwischen Cello und Orchester in den Mittelpunkt stellt. Treffsicher breitet Sieghart das Meisterwerk aus, so das der überwältigende Zauber dieser Komposition seine ganze besondere Wirkung entfaltet.
Edward Elgars Cellokonzert in e-Moll, Op. 85 gehört zu den bewegendsten Werken des spätromantischen Repertoires. Das im Schatten des ersten Weltkriegs entstandene Werk ist von einer tiefen Melancholie und Rückschau geprägt, was es zu einem emotionalen Kontrapunkt zum kraftvollen Dvořák-Konzert macht.
Im ersten Satz eröffnet Krijgh mit einem introspektiven, fast fragilen Ton, der die resignative Grundstimmung des Werks sofort spürbar macht. Sie lässt den Raum für stille, nachdenkliche Momente, während sie gleichzeitig die verborgene Leidenschaft und Dramatik des Stücks eindrucksvoll auslotet.
Das Allegro molto des zweiten Satzes präsentiert Krijgh in einer glasklaren, präzisen Darbietung. Die technischen Herausforderungen meistert sie mit beeindruckender Leichtigkeit, während sie im langsamen dritten Satz, Adagio, erneut ihre lyrische Ausdruckskraft unter Beweis stellt. Hier findet sie den perfekten Ton zwischen verhaltener Trauer und lyrischer Schönheit, der diesen Satz so einzigartig macht.
Im vierten Satz bringt Krijgh die emotionale Dramatik des Werks zum Höhepunkt. Sie phrasiert mit einfühlsam, wodurch Elgars bittersüße Klangwelt auf eindrucksvolle Weise lebendig wird. Dabei bleibt sie technisch makellos, ohne dabei den emotionalen Gehalt des Werks zu überdecken.
Auch bei Elgar zeigt sich das Tonkünstler-Orchester als sensibler Begleiter. Die orchestralen Farben werden unter Martin Siegharts Leitung mit großer Detailfreude ausgeleuchtet, besonders in den melancholischen Passagen des langsamen Satzes. Das Orchester findet immer wieder den passenden Ton, um die Solistin in den Vordergrund treten zu lassen, ohne an Eigenständigkeit zu verlieren.
Dirk Schauß, im Oktober 2024
Antonin Dvorak und Edward Elgar
Cellokonzerte
Harriet Krijgh, Violoncello
Tonkünstler-Orchester
Martin Sieghart, musikalische Leitung
Capriccio, C5534