Interview mit Ansgar HAAG, scheidender Intendant des Meininger Staatstheaters
Ansgar HAAG. Copyright: Sebastian Scholz
Der Meininger Intendant Ansgar Haag verlässt in der kommenden Spielzeit das Meininger Staatstheater. Ansgar Haag hat das Meininger Staatstheater in schwierigen Zeiten übernommen. Nach zu vielen avantgardistischen Experimenten waren die Zuschauer ausgeblieben. Intendant Haag steuerte das Meininger Theater mit seinen Sparten in ein publikumsnaheres Fahrwasser. Zuvor hatte er schon in Ulm gute Arbeit geleistet.
Als Regisseur hat Ansgar Haag 140 Inszenierungen gemacht. Für einige seiner Inszenierungen bekam er auch Preise: 2007 wurde seine Meininger-Inszenierung von Goethes „Faust I / II“ mit dem Land-der-Ideen-Preis ausgezeichnet. 2009 ehrte man seinen „Tannhäuser“ mit dem Titel „Inszenierung des Jahres“. Der Preis wird vom Verein „Meininger Theaterfreunde e.V.“ gestiftet. Die Inszenierung wird bis heute im Palas auf der Wartburg aufgeführt. 2012 verlieh ihm der Kulturminister der Republik Kasachstan, Darkhan Myngbay, die Auszeichnung „Geehrter Kunstschaffender“ für seine Inszenierungen der kasachischen Erstaufführung von Richard Wagners „Tannhäuser“ (2010) an der Staatsoper Almaty und der deutschen Erstaufführung der kasachischen Oper „Abai“ von Achmet Schubanow und Latif Hamidi in Meiningen, 2018 wurde seine Meininger Inszenierung „TOSCA“ zur „Inszenierung des Jahres“ gekürt.
Nach 16 Jahren endet demnächst seine Intendanz, aber dem Theater bleibt er auf vielfältige Weise kreativ treu.
Kurzfristig stand er für ein Interview zur Verfügung.
Herr Haag, nach 16 Jahren erfolgreicher Theaterarbeit verlassen Sie nun bald Meiningen. Welche Situation haben Sie bei ihrem damaligen Antritt vorgefunden?
A.H.: Es freut mich, dass Sie mich schon in der Frage mit dem Wort „erfolgreich“ loben. 16 Jahre ist für die Meininger Theatergeschichte schon ungewöhnlich, denn es ist tatsächlich die längste Zeit, die je ein Intendant hier am Haus tätig war. Selbst der berühmte Intendant des Theaterherzogs Ludwig Chronegk war nur von 1884 bis 1891 im Amt.
Mein Beginn war sehr spontan. Denn mein Vertrag wurde am 15. August 2005 unterschrieben und am 01. September begann die Intendanz. Zu viele Abonnenten hatten das Haus verlassen und so entschied die Landesregierung einen vorzeitigen Wechsel.
– Sie folgten auf Res Bosshart, der ja die Gemüter der Meininger Theaterbesucher sehr erhitzt hatte, um es vorsichtig auszudrücken. Wie erlebten Sie die Erwartungen des Publikums?
A.H.: Das Meininger Theater stand immer für den kulturellen Ausbau der Wiedervereinigung. Erhitzte Gemüter hatten nicht in erster Linie die Meininger Theaterbesucher, sondern unsere Gäste aus Bayern und den alten Bundesländern. Um diese hatte sich der Intendant zu wenig bemüht.
– Was haben Sie anders gemacht?
A.H.: Ich hatte einen Spielplan erstellt, der sämtliche Vorstellungen zu Beginn einer Spielzeit veröffentlicht und diese Termine auf jeden Fall hält, damit Touristen rechtzeitig buchen können. Das Wichtigste war natürlich die Verlässlichkeit, dass die Vorstellungen stattfinden, Besuche geplant werden können und auch die Hotelzimmer nicht storniert werden müssen. Es dauerte eine Zeit bis das Vertrauen des überregionalen Publikums wiederaufgebaut war.
– Welche Schwerpunkte haben Sie als Intendant gesetzt?
A.H.: Mein erster Spielplan war so spontan, dass ich improvisieren musste. Als ich überraschend von Seiten der Politik gefragt wurde: „Was planen Sie denn?“, hatte ich gesagt: „Ich mache es so wie der Reclam Verlag und beginne mit der Nummer eins.“. Das war der FAUST. Von diesem spontanen Satz kam ich natürlich nicht mehr weg. Der Erfolg des Doppelprojektes FAUST I und II zeigte mir, welche Schwerpunkte in der Region gefragt sind. Es sind neben den lokalen Klassikern wie Schiller und Goethe im Musiktheater die Komponisten der Deutschen Romantik.
Die Reisebusunternehmer wollten in Thüringen nicht Verdi sehen, dazu fuhr man nach Verona. Die Operetten sah man in Mörbisch am See und für Mozart reiste man nach Salzburg. Webers FREISCHÜTZ war meine erste Premiere. Geplant hatte die noch mein Vorgänger. Ich nahm nur etwas Einfluss auf die romantische Bühnenbildgestaltung im Wald und bestätigte die Fantasien von Regisseur Philipp Stölzl. Diese Aufführung war so erfolgreich, dass sie 3 Spielzeiten ausverkauft gegeben werden konnte. Damit war für mich klar, dass diese Linie in Meiningen passt. So hatte ich während meiner Intendanz fast alle Werke von Richard Strauss im Repertoire. Er war einst Hofkapellmeister in Meiningen und daher wichtig für dieses Haus. Da Richard Wagner seinen PARSIFAL einst für Meiningen komponiert hatte und später in Bayreuth für sein Festspielorchester die Meininger Hofkapelle einsetzte, wurde auch Wagner ein entscheidender Schwerpunkt.
– Was waren für Sie die Höhepunkte ihrer Intendanten-Zeit?
A.H.: Sicher meine Inszenierung von Richard Wagners TANNHÄUSER. Bis zur Generalsanierung lief sie in Meiningen und nun schon 10 Jahre lang auf der Wartburg. Nach wie vor sind die Vorstellungen ausverkauft. Durch diesen Erfolg hatte ich auch die Gelegenheit in Almaty die kasachische Erstaufführung von diesem Werk zu inszenieren. Ich bekam dafür sogar den Orden „Verdienter Künstler des Volkes“. Dass ich danach in Meiningen die kasachische Nationaloper ABAI von Achmet Kuanowitsch Schubanow als europäische Erstaufführung inszenieren konnte, war für mich genauso ein Höhepunkt wie die szenische Uraufführung der überarbeiteten Oper von Othmar Schoeck DAS SCHLOSS DÜRANDE im letzten Jahr.
– Wie sehr hat Sie das Erbe des berühmten Theater-Herzogs Georg II. beschäftigt?
A.H.: Natürlich war es mir sehr wichtig die Werke Richard Wagners im Sinne des Theaterherzogs Georg II zu realisieren. So bin ich sehr stolz, dass zum Beispiel Gerd Heinz einen wunderbaren PARSIFAL inszenierte und danach mit Andreas Schager TRISTAN UND ISOLDE. Übrigens hat mein damaliger Operndirektor Dr. Klaus Rak Andreas Schager in einer Opernaufführung in Baden bei Wien entdeckt. Er sang dann seine erste Wagnerpartie in Meiningen in RIENZI. Auch bei der Pflege des Frühwerks von Richard Wagner war mein Gedanke im Sinne des Theaterherzogs, der vor allem das Schauspiel liebte. So kam ich auf den Gedanken, DAS LIEBESVEROT und dessen Vorlage MASS FÜR MASS von Shakespeare jeweils aufeinanderfolgend an zwei Tagen aufzuführen. Diese konzeptionellen Verbindungen zwischen Schauspiel und Oper wurden vom Tourismus sehr gut angenommen. Ein riesen Erfolg war auch Rossinis GUILLAUME TELL zusammen mit Schillers WILHELM TELL zu spielen.
Im letzten Jahr hatten wir die internationale FESTWOCHE dem Theaterherzog gewidmet. Während Georg II. mit seiner Truppe ganz Europa bereiste, haben wir junge, internationale Regisseure nach Meiningen eingeladen, um ihre Inszenierungen von Werken zu zeigen, die schon GEORG II. liebte. So war es möglich den internationalen Gedanken des Theaterherzogs weiterzutreiben. In diesem Geiste gastierten wir auch zu Schillers 250. Geburtstag mit KABALE UND LIEBE in Shanghai und Peking und zuletzt mit LEONCE UND LENA unmittelbar vor Ausbruch des Corona Virus in Toulouse. In Erinnerung an den Theaterherzog entstanden auch die internationalen Gastspiele unseres Puppentheaters in Frankreich, in Weißrussland, in Korea, in Japan und in Kanada.
– Was sind ihre persönlichen Zukunftspläne?
A.H.: Es hatte sich über die Jahre meiner Intendanz herumgesprochen, dass die Deutsche Romantik hier besonders gepflegt wird. So bekam ich das Angebot 2007 in Seoul die koreanische Erstaufführung von ARIADNE AUF NAXOS zu inszenieren. Nachdem coronabedingt meine Inszenierung von Puccinis GIANNI SCHICCI in Brasilien abgesagt werden musste, hoffe ich dies nachholen zu dürfen. Als Rentner möchte ich, solange es geht, nicht auf die künstlerische Arbeit als Regisseur verzichten.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Larissa Gawritschenko und Thomas Janda