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ANNIE

11.01.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmPlakat Annie x~1

Ab 16. Jänner 2015 in den österreichischen Kinos
ANNIE
USA / 2014
Regie: Will Gluck
Mit: Quvenzhané Wallis, Jamie Foxx, Cameron Diaz, Rose Byrne u.a.

Wenn man sich schon mit „Oliver Twist“ – trotz starkem literarischem Hintergrund – schwer tut, ist man sicher nicht leicht für „Annie“ zu begeistern, das bis ins Extrem kitschige und klischierte Kinder-Musical: Kleine Waise schmilzt harte Herzen und erkämpft sich ihr Glück… schwer erträglich, aber was soll man sagen? Gerade in Österreich hat das originale Musical zuletzt zwischen Linz und Baden auf den Bühnen offenbar eingeschlagen. Manche Dinge funktionieren scheinbar immer.

Was das Kino betrifft, so gab es von „Annie“ – original ein Comic-Strip, dann 1977 ein Broadway-Musical zur Musik von Charles Strouse – schon eine Version: Es war 1982 der einzige und missglückte Versuch des großen John Huston, einen Musical-Film zu drehen. Diesmal ging man grundsätzlich auf Nummer sicher, indem man Annie, das strahlende, einst rothaarige Kindchen, zu einer Afroamerikanerin machte, was politisch so korrekt ist, dass es nur allgemeines Entzücken hervorrufen musste. Es funktionierte allerdings, weil die kleine Quvenzhané Wallis (wie man schon aus dem seltsamen Film „Beasts of the Southern Wild“ weiß, wo sie eine „Oscar“-Nominierung erhielt) eine ungewöhnlich starke Persönlichkeit ist und Annies Kampf gegen ihr Underdog-Schicksal mit Kraft, aber ohne allzu deutliche Penetranz aufnimmt und als Charmebombe stellenweise unwiderstehlich ist.

Dabei neigt der Film von Regisseur Will Gluck, der glatt in die Gegenwart versetzt wurde (so dass die ganze Handy-Welt einbezogen ist und dramaturgisch mitspielt), grundsätzlich in jedem Detail zur Überzeichnung. Die böse Waisenhaus-Leiterin ist hier eine dem Alkohol zugeneigte Foster-Mama geworden, die sich in Harlem dutzendweise vordringlich farbige Kinder hält, um in den Genuß der damit verbundenen Zahlungen zu kommen, sie alle aber so schlecht behandelt, wie man es sich nur vorstellen kann: Cameron Diaz kann gar nicht genug tun (immer wieder ist es dann zu viel…), um dieses Monster skurril-komisch zu überhöhen.

Und der Millionär des Originals ist zum Politiker geworden, in diesem Fall auch Afroamerikaner, und man fragt sich, wie schlecht es Jamie Foxx geht, dass er (ein Tarantino-Held und Mann mancher profunder Rolle auf der Leinwand) sich darauf einlässt, den publicity-geilen Bürgermeister-Aspiranten zu spielen, der sich von seinen Werbestrategen gerne überreden lässt, das kleine afroamerikanische Mädchen als Aushängeschild seiner überbordenden Güte und Menschlichkeit auszustellen. Als er die schnippische, kluge Kleine dann wirklich lieb gewinnt… das passt seinen Mitarbeitern schon weniger ins Konzept. Darum überpurzelt sich die Geschichte dann, wenn Betrüger als falsche Eltern und Entführung anstehen, all das Kindertheater, das selbst für das Kinder-Musical ein wenig tief angesetzt ist…

Da hat die Geschichte des Politikers und der Manipulation durch die Medien keine Chance, mit etwas tieferer Glaubhaftigkeit zu punkten, schon gar nicht so, wie es dargeboten wird, in demonstrativer Schrille (Seht her, so ist die Welt der Politik!). Das bringt natürlich nicht einen Hauch Echtheit in die Sache ein, ein winziges Quentchen Nachdenklichkeit, was angesichts dieses Teils der Handlung ja immerhin möglich wäre.

Dergleichen wird wohl auch nicht verlangt in einem Film, wo gewissermaßen überraschend und nicht selten gewaltsam immer wieder in Gesang und Tanz ausgebrochen wird, um die Satire dann auch noch bunt und lautstark zu zuckern. Nein, man wundert sich nicht, dass Will Smith als Produzent hinter dem Ganzen steht: Er hat seinen schlechten Geschmack zuletzt in genügend schlechten Filmen ausgestellt, das ist nur einer davon.

Natürlich kann niemand davon abgehalten werden, dergleichen nach dem alten Schema des so genannten „Familienfilms“ herzerwärmend herzig zu finden. In so genau kalkulierten Fällen wie dieser „Annie“ spielt sich die Geschichte ganz zwischen dem Gebotenen und dem Rezipienten bzw. dessen Bereitschaft, sich erreichen zu lassen, ab.

Renate Wagner

 

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