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ANKARA/ Türkei: ERÖFFNUNG DER NEUEN KONZERTHALLE

06.12.2020 | Konzert/Liederabende

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Foto: Robert Quitta

ANKARA (Türkei): ERÖFFNUNG DER NEUEN KONZERTHALLE am 3.12.2020

Europa, im Dezember 2020: alle Opern, Theater und Konzertsäle sind geschlossen. Und man macht sich berechtigte Sorgen, um das Weiterbestehen dieser Institutionen, falls sie dann je wieder aufsperren sollten.

Überall, wirklich überall ? Nein, denn drüben in Asien, „hinten, weit, in der Türkei“ (Goethe) wurde soeben in der Hauptstadt Ankara – total antzyklischerweise, allen Viren dieser Welt zum Trotz – eine brandneue, riesige Konzerthalle eröffnet.

Es ist das erste, extra für diesen Zweck erbaute Gebäude in der türkischen Republik (bisher gab es nur dafür provisorisch adaptierte Lagerhallen, Speicher, etc.), und es hat aber auch schon eine schwierige Geschichte hinter sich. Der Spatenstich erfolgte nämlich bereits vor 28 Jahren, und seither stand (nicht zuletzt aufgrund der „Starrsinnigkeit“ der Architekten Semra und Özcan Uygur – wie offizielle Stellen hinter vorgehaltener Hand verlauten liessen – ein hässlicher Rohbau sinnlos in der Gegend herum.

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Foto: Robert Quitta

Als aber vor zwei Jahren ein neuer, parteiloser Kulturminister ins Amt kam – der hünenhafte, durchsetzungsfähige Tourismus-Unternehmer Mehmet Nuri Ezroy  – und gleich ordentlich Druck machte, ging plötzlich alles ganz schnell. Und somit fand jetzt endlich am 3.Dezember die langerwartete Eröffnungsgala statt.

Der in einem ehemaligen Eisenbahnindustrie-Viertel gelegene Bau ist architektonisch durchaus interessant und verhehlt seine Ambitionen nicht, ein „Landmark-Building“ zu sein (wie die Elbphilharmonie in Hamburg und die Neue Philharmonie in Paris). Er besteht aus einer gläsernen Halb-Pyramide als lichtspendendem Eingangsbereich, von dem man aus links und rechts in die beiden eier- oder igluförmigen Konzertsäle gelangt. Der große fasst 2200 Zuschauer, der kleine 600.

Aber nicht nur das Gebäude hat Ambitionen, sondern auch das Orchester, für das es gebaut wurde, erwartet sich von seiner neuen Heimstätte, dass es in Hinkunft in der weltweiten A-Liga mitspielen wird können.

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Foto: Robert Quitta

Das mag uns eingebildeten, hochnäsigen, aus der „Welthauptstadt der Musik“ stammenden Wienern etwas verwegen erscheinen. Wir vergessen dabei aber, dass das Cumhurbaskanligi Senfoni Orkestrasi’na (übersetzt Presidential Symphony Orchestra – wobei sich das Presidential nicht auf den derzeitigen Präsidenten, sondern auf den ersten Präsidenten der Türke, Kemal Atatürk, bezieht) eines der ältesten Orchester der Welt ist. Es wurde (natürlich unter anderem Namen) bereits 1826 (!) gegründet – und zwar von niemand Geringeren als dem älteren Bruder Gaetano Donizettis Giuseppe. Der für seine Verdienste (er lebte 28 Jahre lang in Istanbul, wo er auch begraben ist), eine osmanische Militärkapelle in die westliche Musik eingeführt zu haben, vom Sultan den Ehrentitel Donizetti Pascha verliehen bekam.

Einen kleinen Einblick in den damaligen west-östlichen Stil vermittelten die ersten beiden Stücke des Eröffnungskonzerts: die für Sultan Abdulmecid bzw. Sultan Abdulaziz (jeder Sultan bekam immer seine eigene Komposition) geschriebenen marschähnlichen Hymnen von Donizetti und seinem Nachfolger Carulli.

Wie ja überhaupt die türkischen Teile der vom jungen Chefdirigenten Cemi’i Can Deliorman geleiteten Gala die für den mitteleuropäischen Besucher interessanteren waren. Denn die von Angela Gheorgiou vorgetragene Habanera hatte man schon ein paar mal gehört, wie auch die berühmte Arie aus Ihrer Leib-und Magenoper „Adriana Lecouvreur“ (die wahrscheinlich deshalb gewählt wurde, weil in ihr ein Sultan vorkommt: “ Del Sultano Amurate“ ).

Auch das Mozart-Piano-Doppelkonzert, hier vorgetragen von den Zwillingsschwestern Güher&Süher Pekinel ist ja nicht gänzlich unbekannt.

Die türkischen Komponisten Ferit Tüzün, Ahmed Adnan Saygun und Ulvit Cemal Erkin hingegen sind für unsere Ohren total unbeschriebene Blätter – wenn auch zu Unrecht. Denn besonders Sayguns Ouvertüre zur ersten türkischen Oper „Özgoy“ und Erkins Köçekce-Suite machten großen Appetit auf mehr.

Insofern war das erste Eröffnungskonzert – auch wenn die Stimmung im covidbedingt nur zu einem Drittel besetzten Saal naturgemäss nicht überschäumend war – doch sehr faszinierend und inspirierend.

Deliorman plant übrigens für April ein neues Festival für zeitgenössische Musik – das erste seiner Art in der Türkei.

Und der toughe Kulturminister lässt – tatkräftig unterstützt von seinem Präsidenten, der offenbar kunstverliebter ist als unser Bundeskanzler – nicht locker: bereits im März soll die nächste Grossbaustelle – die neue Oper am zentralen Taksim-Platz in Istanbul – fertiggestellt werden. Wir sind gespannt !

Robert Quitta, Ankara

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Präsident Erdogan schreitet zur Eröffnung.  Und der toughe Kulturminister lässt – tatkräftig unterstützt von seinem Präsidenten, der offenbar kunstverliebter ist als unser Bundeskanzler – nicht locker: bereits im März soll die nächste Grossbaustelle – die neue Oper am zentralen Taksim-Platz in Istanbul – fertiggestellt werden. Foto: Robert Quitta

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Foto: Robert Quitta

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Foto: Robert Quitta

 

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