Anette Leistenschneider, Operndirektorin in Nordhausen
Die ersten drei Jahre
Ein Blick zurück und nach vorn
Anette Leistenschneider. Foto: Kneise
Anette Leistenschneider ist seit der Spielzeit 2016/17 als Operndirektorin am Theater Nordhausen tätig. Mit Neuinszenierungen von „La Bohème“, „Salome“, „La Traviata“, „Madama Butterfly“ und anderen mehr begeisterte sie Publikum und Presse. Anlass genug, Frau Leistenschneider nach dem Erfolgsrezept ihrer Tätigkeit zu fragen.
Sehr geehrte Frau Leistenschneider, seit über drei Jahren sind Sie nunmehr Operndirektorin am Theater Nordhausen und eilen dort von Erfolg zu Erfolg. War es immer schon Ihr Wunsch, Operndirektorin zu werden?
Dieser Wunsch hat sich im Verlauf der vergangenen 20 Jahre als freischaffende Regisseurin immer und immer mehr verfestigt – und nun habe ich das große Glück, als Operndirektorin zu wirken.
Neben dem Inszenieren von Lortzing bis Verdi, vom Musical über die Spieloper bis zur großen dramatischen Oper bin ich bei der Erstellung des Spielplanes beteiligt, ebenso bei der Auswahl der Sänger und ihrem Einsatz in den einzelnen Partien.
So habe ich das ganz große Glück, in meinem Traumberuf arbeiten zu dürfen.
Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Das Schönste an meinem Beruf ist für mich die Arbeit mit Menschen in Kombination mit dem kreativen Teil der Arbeit vor und während der szenischen Proben – um dann ein Publikum glücklich zu sehen.
Ich darf meine Phantasie Purzelbäume schlagen lassen; ich darf meiner Leidenschaft frönen, aus Musik und Sprache lebendige Charaktere auf die Bühne zu bringen und eine Geschichte zu erzählen, die die Seele berührt, die begeistert und die das Publikum in eine andere Welt entführt.
Was macht mehr Spaß? Regisseurin oder Operndirektorin?
Mein Herz schlägt für beide Seiten des Berufes – mein Sternzeichen ist der Zwilling, und so gefällt mir eine Zweigliederung immer gut (lacht). Die Aufgaben, die ich als Operndirektorin erfülle sind eine konsequente Weiterführung meiner langjährigen Erfahrungen im Bereich Musiktheater und im Bereich der Arbeit mit Sängerinnen und Sängern.
Für welche Musik schlägt Ihr Herz besonders?
Seit vielen Jahren liebe ich Wagner und Richard Strauss ganz besonders, mal zart, mal wuchtig, innerhalb einer Oper miteinander verwoben, dann wieder eigene Wege in Motiven und Themen gehend. Wobei Mozart mich am meisten anrührt – selbst in der tiefsten Traurigkeit, in der tiefsten Hoffnungslosigkeit lässt er uns immer noch ein warmes Licht spüren das uns aufzeigt, dass es immer Hoffnung, immer Liebe gibt.
Haben Sie eine Lieblingsoper?
„Salome“, die ich hier am Theater Nordhausen inszeniert habe, ist eine meiner absoluten Lieblingsopern, gleich gefolgt von der ebenfalls Strauss´schen „Ariadne auf Naxos“ – und ich brenne für Wagners „Ring des Nibelungen“.
Was würden Sie als Ihren größten Erfolg in Ihren ersten Jahren als Operndirektorin bezeichnen?
In erster Linie, dass wir unsere jungen Sänger mit den Kollegen die schon länger am Haus sind zu einem homogenen Ensemble zusammenführen konnten.
Innerhalb der ersten drei Jahre konnten wir junge Sänger fördern, wie unsere Zinzi Frohwein, die sich von Mimi bis zur Desdemona entwickelt hat und ebenso eine hervorragende Fledermaus – Rosalinde oder Hanna Glawari singt und darstellt. Oder den Tenor Angelos Samartzis, der ans Staatstheater Saarbrücken gewechselt hat und dort als Lyrico – Spinto große Erfolge feiert. Und nicht zu vergessen unsere Sopranistin Leonor Amaral, die an die Oper in Erfurt gewechselt hat.
Dass wir unser Publikum seit nunmehr fast vier Jahren mit dem was wir auf die Bühne stellen beglücken – in all unseren Sparten – macht mich jedes Mal erneut glücklich.
Welche Musiktheaterstücke wollen Sie als Operndirektorin in Nordhausen noch ermöglichen?
Da wird unser Spielplan für 2020/2021 sicherlich aufhorchen lassen. Da er aber noch nicht veröffentlicht ist, muss ich mich noch in Schweigen hüllen…
Was haben Sie sich für Ihr nächstes Jahr als Operndirektorin vorgenommen?
Weiterhin unser treues Publikum „mitzunehmen“ ist mir eine meiner größten Pflichten und Wünsche. Und auch unser Ensemble weiterhin zu fördern, weiterhin Spielpläne gemeinsam mit unserem Intendanten Daniel Klajner und unserem GMD Michael Helmrath zu entwickeln, die spannend, herausfordernd und gut spielbar sind.
Wie viele Stunden pro Nacht schlafen Sie?
In Stresszeiten leider viel zu wenig – da oft nur 5-6 Stunden.
Manchmal sitze ich morgens um fünf Uhr bereits kreativ arbeitend mit einem Klavierauszug und der Aufnahme einer Oper oder Operette schon am Schreitisch.
Da ich glücklicherweise meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte, ist das weniger eine zu erledigende „Arbeit“, sondern eine Freude.
Momentan raubt mir die Gesamtsituation um das Thema COVID – 19 häufig den Schlaf – in erster Linie an unser Aller Gesundheit denkend und dann an unser Theater, unser gesamtes Theatersystem. Wann können wir wieder spielen? Wird sich etwas Grundlegendes ändern? Wie werden die kleineren Festivals, die in diesem Sommer nicht stattfinden können und die freischaffenden Künstler, denen nun die Arbeit fehlt, diese Zeit überstehen. Ihnen gilt meine Empathie und Sorge.
Wie anstrengend ist es, Operndirektorin und Regisseurin gleichzeitig zu sein?
Die Kombination der beiden Berufe verlangt in den Zeiten, in denen ich inszeniere, sehr viel ab. Wenn dann Kolleginnen oder Kollegen am Haus inszenieren und zu meinen Aufgaben das Vorbereiten der nächsten Inszenierungen und Organisatorisches gehört, ich also vornehmlich am Schreibtisch arbeite, regeneriere ich mich sehr schnell.
Mich tragen die Musik und die Inszenierungsarbeit auf Händen – und so löst sich jede Anstrengung sehr schnell in Luft auf…
Was sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft?
Mit vielen schönen Inszenierungen viele Menschen beglücken zu können. Konkret ist unter anderem Rossinis „L’italiana in Algeri“ am Landestheater Innsbruck für Februar 2021 geplant.
Herzlichen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg für Ihren weiteren Weg.
Vielen Dank Ihnen, lieber Herr Kranner!
Das Gespräch führte Sebastian Kranner