Interview mit Andreas Hörl, Fafner und Hunding beim „Ring“ in Odense, Dänemark, am 1. Juni 2018 (Klaus Billand sprach mit dem Bassisten)
Andreas Hörl. Foto: Klaus Billand
Anlässlich der Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ in der Inszenierung von Jasmin Solfaghari durch das Odense Symphony Orchestra im dänischen Odense auf der Insel Fünen, konnte ich mir mit einem Interview des Münchner Bassisten Andreas Hörl einen schon länger gehegten Wunsch erfüllen. Ich hatte ihn zuvor schon in der Rolle des Fafner im Bayreuther Castorf-„Ring“ und als Daland in der Produktion des „Fliegenden Holländer“ 2016 durch den Richard Wagner Verband Singapur erlebt. Ich bin der Meinung, dass der nun in einem idealen Alter für größere Wagner-Rollen befindliche Sänger eine große Zukunft haben wird.
Werdegang
Andreas Hörl machte 1993 sein Abitur und hatte gute Musiklehrer auf der Schule. In München gab es einen guten Chor, und es wurde auch für das Musical studiert. Ihn interessierte aber erst einmal die Big Band. Dafür lernte er Posaune mit etwa 16 Jahren.
Mit 17 bis 18 sang er erste Songs, vornehmlich von Frank Sinatra, bis ihm ein Musiklehrer sagte: „Nehmen Sie Gesangsunterricht!“ Er hatte dann auch einen guten Musiklehrer, der ihn zu Udo Merpohl, der auch Pianist und Leiter des Bayerischen Staatsopernchores war, vermittelte. Andreas sang schließlich vor und kam gleich in den Extra-Chor.
Seine erste Vorstellung waren „Die Meistersinger von Nürnberg“ unter Wolfgang Sawallisch. Es war ein Schlüsselerlebnis für ihn, zum Abschied von Sawallisch mit Bernd Weikl zu dessen 50. Geburtstag auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper zu stehen. Sein späterer Lehrer Kurt Moll war damals Veit Pogner. Nebenbei studierte Andreas Gesang bei Hans Wilbrink in München. Mit 21 Jahren kam er zu Kurt Moll zum Vorsingen. Moll meinte: „ Noch ein Jahr bei Wilbrink, und dann kommen Sie zu mir“. Er war damals Professor an der Hochschule. Etwas wehmütig sagt Andreas, dass er bei Molls Beerdigung 2017 gesungen hat und auch im Rahmen eines Gedenkkonzertes an der Hochschule Köln. An der Hochschule Köln schloss er auch sein Gesangsstudium ab. Dann suchte das Opernstudio Hamburg Nachwuchssänger und Moll sagte ihm: „Fahr hin!“ Das war 1999, und er bekam gleich eine Opernstudio-Stelle für zwei Jahre. Nach dem 2. Jahr wurde er ins Ensemble übernommen und blieb sechs Jahre in Hamburg. Damals war Ingo Metzmacher der GMD. Andreas sang dort u.a. Sarastro, Seneca in der „Krönung der Poppea“, Sprecher in der „Zauberflöte“, Biterolf, Nachtwächter, in den „Drei Schwestern“ von Solioni, der deutschen Erstaufführung.
Nach Hamburg kamen zwei Jahre an der Kölner Oper, wo er schon Partien des 1. Faches sang, wie Fasolt, Basilio, in der UA der Oper „Caligula“ des Henze-Schülers Detlev Glanert 2006 in Frankfurt/Main, den Padre Guardiano in „La Forza del Destino“.
Dann bekam Andreas Hörl ein Angebot vom Opernhaus Zürich unter der Leitung von Alexander Pereira, und so wollte er weg von Köln. Und das ist der Moment, in dem der Bassist Alexander Pereira große Wertschätzung ausspricht. Er kümmere sich um die Sänger und ist – das war bekannt – ein sehr guter Fund Raiser. Offenbar musste Pereira in Zürich nie einen Sänger entlassen, bei 50 Sängern im Ensemble, unter anderen Matti Salminen, Michael Volle, Jonas Kaufmann. Und er erlaubte Andreas Hörl bei 30 Abenden pro Saison in Zürich auch das Gastieren. Es gab dort auch kein Cover-System wie etwa in Wien. Andreas meint, man könne ohnehin nur Rollen auf diesem Niveau covern, die man schon gesungen hat, sonst kann man die Leistung, die man dem Publikum und dem Werk schuldig ist, einfach nicht bringen. Pereira war in diesem Sinne gut, ein sehr theaterkundiger und verlässlicher Intendant. Andreas fühlte sich in Zürich gut aufgehoben. Wichtige Rollen, die er in Zürich zu jener Zeit sang: Den Don Diègue, Vater Rodrigues in „Le Cid“, die beiden Riesen im „Rheingold“, Colline in „La Bohème“, einmal mit Nello Santi; weitere Rollen im „Maskenball“, in den „Königskindern“.
Im Jahre 2012 endete seine Zeit in Zürich, und er ging nach einem Vorsingen bei Dominique Meyer und Franz Welser-Möst an die Staatsoper Wien bis zum Herbst 2014. Hier sang er u.a. Komtur, Sarastro, Warlaam, den Dachs und den Pfarrer im „Schlauen Füchslein“, in der Otto Schenk Inszenierung. „Es war toll, mit ihm arbeiten zu dürfen.“
Seit Herbst 2014 ist Andreas Hörl freischaffend und hat mittlerweile schon 90 Rollen gesungen, wovon etwa 20 große Rollen sind, denn es gibt bei den Bassisten viele kleine Partien. 2014 sang er den Ochs in Innsbruck unter der Regie von Heinz Zednik. Er hatte diese Rolle schon zehnmal 2004 in Bremerhaven gesungen, aber damals war es aus seiner Retrospektive noch zu früh dafür. Dennoch waren alle Vorstellungen dieses „Rosenkavalier“ ausverkauft!
Wer waren und sind seine Lehrer?
Kurt Moll war für Andreas prägend, er wurde über die Zeit ein väterlicher Freund. „Ich halte Kurt Moll für einen Ausnahmesänger und Mensch, ohne den ich vielleicht nie zum Singen gekommen wäre.“ Jetzt ist Andreas sehr viel unterwegs. Deshalb ist es schwierig, einen stets greifbaren Lehrer zu haben, denn das muss er oder sie sein. Er wohnt in München und arbeitet seit einem Jahr mit Josef Loibl, bei dem auch Annette Dasch und Lioba Braun sind. „Loibl coached sehr hart und gut“, und Andreas geht etwa zehn bis zwölfmal im Jahr zu ihm. Jetzt ist er mit 45 Jahren im besten Bass-Alter. Er treibt auch viel Sport, um sich für die Bühne fit zu halten.
Was waren seine wichtigsten künstlerischen Erlebnisse?
„Das war Bayreuth 2015!“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. In dem Jahr sang er dort Fafner sowie in dem von Tristan Braun, dem Sohn von Lioba Braun, inszenierten Kinder-„Parsifal“. Auch die Zusammenarbeit mit Kirill Petrenko war ein Erlebnis, und es war auch 2015, als er im „Ring“ von Robert Carsen am Gran Liceu in Barcelona sang.
Wie steht er zum Oeuvre Richard Wagners?
Wagner liegt ihm von der Optik und den Stimmen her sehr nahe. „Dieser große Komponist hat ein einzigartiges musiktheatralisches Werk geschaffen, in dem auch das Schauspiel sehr wichtig ist.“
Einige Kommentare zur derzeitigen Situation des Operngesangs
Andreas Hörl ist der dezidiert vorgetragenen Auffassung, dass den Sängern in Bezug auf die Verträge wieder mehr Sicherheit gegeben werden müsse. Leider gibt es immer weniger Persönlichkeiten in dem Beruf. Früher war es ganz anders. Man hat mehr miteinander als übereinander gesprochen und wollte nicht nur „abliefern“, sondern auch etwas aus den eigenen Vorstellungen heraus machen. Ein gewisses Anecken dabei ist gut – es führt zu neuen Ideen, durchaus auch bei den Regisseuren, und befruchtet die eigenen Vorstellungen. Dann kann ein Funke auf das Publikum überspringen. Wegen der 15-Jahres-Regel für die danach nicht mehr möglichen Kündigungen müssen viele erfahrene Kräfte das Ensemble vorzeitig verlassen. Diese „Alten“ fehlen dann den Jungen zum „Anlernen“. Immer wieder aber siegt dennoch die Begeisterung für die Werke. „In Singapur beim „Fliegenden Holländer“ konnte man sehen, wie stark die Musik ist, dass sie sogar in diesem Kulturkreis so gut aufgenommen wird.“
Auch ein Wort zu den Souffleuren. „Dies ist ein ganz wichtiger Beruf und gibt den Sängern viel psychologische Sicherheit. Manch dirigierender Souffleur oder Souffleuse hat schon die Vorstellung gerettet. Und dabei kann man die Rolle hundertmal gesungen haben – man ist ja auch nur ein Mensch. Leider haben sich die Sänger bei der weitgehenden Abschaffung der Souffleure nicht gewehrt.“ In Wien und Zürich zum Beispiel gibt es sie aber immer noch, und das ist gut so. Soufflieren von der Seite ist zwar besser als gar nichts, es bringt aber nicht viel.
Was sind seine Pläne für die Zukunft?
In Bayreuth wird er den Hans Schwarz in den neuen „Meistersingern“ geben. In einer Neuproduktion des „Rosenkavalier“ in Schwerin wird er den Ochs singen und darstellen. Und am 6. September 2018 steht dann das Rollendebut des Hagen bei der neuen Mindener „Götterdämmerung“ an. Natürlich will Andreas gern den Gurnemanz machen. Die Rolle hat er schon drauf – es fehlt noch das Angebot…
Ich wünsche dem sehr kommunikativen Andreas Hörl alles Gute für seinen weiteren Werdegang und bin mir sicher, dass er sich zu einem großartigen Wagner-Bassisten entwickeln wird.
Klaus Billand