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ANDERMATT/ VITZNAU (Schweiz): SWISS ALPS CLASSIC FESTIVAL

25.08.2020 | Konzert/Liederabende

ANDERMATT/ VITZNAU (Schweiz): SWISS ALPS CLASSIC FESTIVAL

vom 21. – 23. 8.2020

https://www.swissalpsclassics.ch/

Das Schweizer Bergdorf Andermatt im Ursental war einst militärisches Sperrgebiet und Touristen daselbst dementsprechend unerwünscht. Nach dem (teilweisen) Abzug der Armee verliebte sich aber der ägyptische Investor Samih Sawiris in diesen verschlossenen Ort und beschloss, ihn zu einem Touristenhotspot emporzuentwickeln: mit einem 5-Stern-Hotel(The Chedi), einem 4-Stern-Hotel (Radisson blu), Appartmenthäusern (die Tiernamen tragen), einem 18-Loch-Golfplatz etc.etc.

Der österreichische Tennisturnier-Entrepreneur(und ehemalige LASK-Präsident) Peter-Michael Reichel wiederum fand Gefallen an dem, was er da entstehen sah, und verlegte (auch der guten Luft wegen) flugs seinen Wohn- und Büro-Sitz nach Neu-Andermatt. Um sein Glück vollkommen zu machen, entschied er auch gleich, sich hier endlich einen lebenslangen Wunsch zu erfüllen und ein Klassikmusikfestival zu gründen. Dank des von Reichel gewonnen künstlerischen Leiters, dem ehemaligen Philharmoniker-Vorstand Prof. Dr.Clemens Hellsberg hatte das neugeborene SWISS ALPS CLASSIC FESTIVAL von Anfang an ein hohes Standing in der Musikwelt.


Sergey Tanin und David Nebel. Foto: Valentin Luthiger

Jetzt hat es gerade ein viertes Mal stattgefunden. Aufgrund der bekannten Panik-demie musste es bedauerlicherweise auf drei Tage verkürzt werden. Dafür fand sich ein neuer „partner in crime“: der in Wien bestens bekannte Vermögensverwalter und Fondsmanager Peter Pühringer hat nach dem Umbau des Palais Coburg zur Luxusherberge nunmehr in der Schweiz ein neues „Spielzeug“ gefunden: das etwas in die Jahre gekommene „Park Hotel Vitznau“, das er in der ihm eigenen Ambition in eine „Perle des Vierwaldstättersees“ umgewandelt hat. Musikfreund, der er ist (er hat ja bekanntlich auch den Wiener Sängerknaben ihren Konzert-Kristall MuTh im Augarten beschert), hat er auch hier nicht auf einen kleinen Konzertsaal vergessen (der zwar auf der einen Seite einen wunderschönen Blick auf den See hat, auf der anderen Seite aber leider von einem abstrus hässlichen Totentanz-Wandgemälde entstellt ist). Und in diesem fanden heuer zwei Konzerte von Swiss Alps Classics statt: ein Solo -Abend mit dem 25 Jahre jungen sibirischen Pianisten Sergey Tanin und ein Duo-Recital von ihm gemeinsam mit dem Schweizer Geiger David Nebel .


Konzertsaal Vitznau. Foto: Valentin Luthiger

Tanin präsentierte die ganze stilistische Bandbreite seines Repertoires: Beethovens 15 Eroica-Variationen, Franz Liszts Tarantella aus Venezia und Neapel, Johannes Brahms‘ Sonate Nr.1 und Sergey Prokofievs 5 Klavierstücke. Lauter interessante und selten gespielte Werke.

Das Programm gemeinsam mit Nebel war leider weitaus unglücklicher gewählt. Denn den populären Hadern „Frühlingssonate“ hatte man ja natürlich schon 100x mit allen Grossen ihrer Zunft gehört…


Konzertsaal nach Plänen von Christa Seilern. Foto: Robert Quitta

Das Hauptevent spielte sich dann doch wieder in Neu-Andermatt ab:  in der nach den Plänen von Christina Seilern ins Radisson Hotel Blu Reussen hineingebauten neuen Konzerthalle, eine der schönsten und akustisch stimmigsten, die ihr Berichterstatter in letzter Zeit gesehen hat. Hier gastierte das hochgerühmte JANOSKA ENSEMBLE, eine der einzigartigsgen Kammermusikformationen unserer Zeit, das gerade auf Tournee ist, um seine neue CD REVOLUTION zu promoten. DIe drei Janoska-Brüder František, Roman und Ondrej aus Bratislava (alles Musiker in der 6. Generation) haben gemeinsam mit ihrem angeheirateten Kontrabass- Schwager Julius Darvas aus Konstanz (Kontrabassist „nur“ in der 3.Generation) den von ihnen so genannten „Janoska -Style“ entwickelt. Diese sehr spezielle Musikmischung ist schwer zu definieren: sie enthält zwar Elemente von Klassik, Jazz, Volksmusik und Improvisation, ist aber weit davon entfernt, irgendetwas mit „Crossover“ oder „Verjazzung“ zu tun zu haben. Am besten zeigt sich das bei ihrem Stück mit dem schönen Titel COLE OVER BEETHOVEN, bei dem die vier (klassisch ausgebildeten) Teufelsburschen mit der ihnen eigenen Nonchalance scheinbar mühelos von Beethovens „Mondscheinsonate“ zu Cole Porters „Night and Day“ fünfmal hin-und zurückwechseln, ohne dass das irgendwie forciert, künstlich oder aufgesetzt wirkt. Es hört sich viel mehr vollkommen organisch und natürlich an, als wären LudwigvanColePorterBeethoven ein und dieselbe Person.


Janoska-Quartett. Foto: Valentin Luthiger

Das Schweizer Publikum, sonst eher dafür bekannt, auf seinen Händen zu sitzen, sprang jedenfalls im Anschluss daran – wie auf ein verabredetes geheimes Zeichen hin – geschlossen von den Sitzen auf und spendete den Janoskas eine tosende Standing Ovation. Dem nicht genug, verführten die musikalischen Wunderwuzzis die Anwesenden dann auch noch dazu, bei der Zugabe „Hey Jude“ nicht nur mitzusingen, sondern auch noch (radetzkymarschmässig) m i t z u k l a t s c h e n. Sowas hat Neu-Andermatt noch nicht erlebt.

Beim anschliessenden Dinner hielt die Begeisterung auch noch unvermindert an. Als ob der Heilige Geist der Musik in sie gefahren wäre, äusserten sich nicht nur Pianisten, Musikologen und Kritiker, sondern auch Investmentbanker, Immobilienmogule, Schönheitschirurgen, Hoteliers, Gastronomen, Kantonalbankdirektoren und Tennischampions in nahezu gleichlautenden Worten über die Massen euphorisch über das soeben Erlebte.

Pianisten sprachen davon, ihren Beruf aufzugeben, manch ein Gast wünschte sich, es möge in Hinkunft nur noch Janoska-Musik geben. Was natürlich unsinnig, aber verständlich ist. Schließlich war einem zwei Stunden lang die Gnade ungetrübten musikalischen Glücks widerfahren…

Robert Quitta, Andermatt/Vitznau

 

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