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AMSTETTEN/Pölz-Halle/ Gastspiel Salzburger Operettentheater: DER ZAREWITSCH

Lehár und schmerzhafte Liebe, ab nun tantiemenfrei

02.01.2019 | Operette/Musical

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Foto: Joachim Schlote

Das Operettentheater Salzburg auf Europa-Tournee: „DER ZAREWITSCH“ (31.12.2018, Pölz Halle Amstetten)  Lehár und schmerzhafte Liebe, ab nun tantiemenfrei

Ist Franz Lehárs „Der Zarewitsch“ als bereits verloren gegangenes österreichisches Kulturgut anzusehen? Uraufführung 1927. Der 57jährige Lehár, anno dazumal auf emotionellem Höhenflug, beschwörte sein Publikum mit einem pathetisch ansprechenden lyrischen Melodienzauber. Ein Weltschlager der 20er, 30er Jahre  folgt dem anderen. Dazu Opernstar Richard Tauber als idealster aller Tenöre: das Wolgalied und weiter sehnsuchtsvoll mit „Hab nur dich allein“, „Einer wird kommen“ ….

„Der Zarewitsch“ scheint im Repertoire der heimischen Musiktheater nur mehr ganz selten auf. An der Story gescheitert, verhaftet in der Zeit, die Dialoge wirken heute nicht gerade besonders glaubwürdig, für heutige Theatermacher passé? Ende des 19. Jahrhunderts in dem seinen Ende sich nähernden  Zarenreich: Der frauenfeindlich herangewachsene Sohn des Zaren verliebt sich in ein einfaches Ballettmädchen, soll dieser Liebe aus Gründen der Staatsraison entsagen. Er flüchtet mit ihr nach Neapel, muss sie aber, zur Thronfolge bestimmt, schließlich doch verlassen. Nichts für Regisseure, welche auf der Modewelle schwimmen. Wer will heute etwas von einem Zarewitsch wissen? Oder doch, modisch gestrickt: Putins Sohn als Homosexueller und Realitätsverweigerer …. diesen Gag darf sich wohl keine Theaterintendanz mit Zeitgeist-Faible erlauben.

Das Salzburger Operettentheater, ein Tourneeensemble mit langjähriger großer Tradition, hat sich für seine diesjährige Tournee – von der Premiere in der  Amstettener Johann Pölz-Halle über Deutschland nach Bregenz, Zürich – dieses musikalisch so wirkungsvollen Klassikers der Silbernen Operettenjahre angenommen. „Der Zarewitsch“ ist trotz einiger Buffo-Streiche kein Unterhaltungsstück, sondern die Aussage zielt in diesen Jahren des deutschen Expressionismus in ihrem Melodienfluss mit betonter Empfindsamkeit  auf schwermütiges Sentiment. Wohl keine andere Operette ist in derart opernhafter Emotionalität verhaftet. Lucia Meschwitz taucht in ihrer Tournee-Inszenierung in diese Gefühlstief voll ein, lässt in klarer Charakterisierung das Publikum deutlich solch schmerzhafte Liebe spüren.

Eugen Amesmann als Zarewitsch und Kerstin Grotrian mit klarem Sopran und natürlichem Spiel führen die an Substanz so reiche Schlagerparade kultiviert phrasieren an. Mit feiner Gesangskultur werden die Duette mit ihren schmiegsamen Melodielinien vorgetragen, eingebettet in wiegenden Orchesterklang. Dirigent Christian Pollack verabreicht eine Musizierstil–Lektion in höchst gefühlvoller wie beschwingter Operettenmanier. Russisches wie italienisches Kolorit steuert Choreograph Alexandru Fotescu mit seiner spritzigen Ballerinenriege bei.

Franz Lehár ist in den letzten Jahren zwar nicht auf der Liste der gefragtesten Komponisten aufgeschienen, doch Lehár-Liebhaber werden sich in der nächsten Zeit sehr wohl freuen dürfen: Seine Musik, seine Operetten sind nun, 70 Jahre nach seinem Tod am 24. Oktober 1948 in Bad Ischl, nicht mehr tantiemenpflichtig …. und Theaterintendanten werden bei ihren Programm-Gestaltungen mit Vergnügen an solche finanzielle Erleichterungen denken, nun nicht mehr für den „Zarewitsch“ oder „Die lustige Witwe“ an Lehárs Erben Aufführungsrechte zahlen zu müssen.

 

Meinhard Rüdenauer

 

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